„Vielleicht hätte die Medizinstudentin Ina Kaspar das Physikum auch ohne einen privaten Vorbereitungskurs bestanden. Aber die Atmosphäre an ihrer Universität machte sie unsicher. »Manche meiner Kommilitonen tun so, als wüssten sie alles. Da traue ich mich nicht mehr, Fragen zu stellen.« Die Unsicherheit war so groß, dass Kaspar lieber viel Geld für ein Vorbereitungscamp der Firma […] bezahlte. 35 Tage Unterricht und Prüfungstraining kosten dort zwischen 1.500 und 2.400 Euro plus 400 bis 800 Euro für die Übernachtung. »Natürlich ist das teuer. Aber es war gut investiertes Geld«, sagt Kaspar. Als in der Woche vor den Prüfungen die Nerven blank lagen, beruhigte sie ein Psychologe der Firma am Telefon. Sogar spätabends noch.“ Mit diesem Absatz beginnt der Zeit-online-Artikel „Kauf dir dein Studium“ von Gabriele Meister.
Der Beitrag beschreibt die gängige Praxis, sich, vor allem in Studiengängen mit Staatsexamen, mit einem privat bezahlten Repetitorium auf diese Abschlussprüfung vorzubereiten. Im Jura-Studium ist das seit Jahrzehnten üblich, mittlerweile nimmt es auch für das Medizinstudium zu.
Ein solches Repetitorium kostet viel Geld und Zeit, trotzdem investieren immer mehr Studierende diese knappen Ressourcen in die private Nachhilfe.
Echte oder gefühlte Versäumnisse der Hochschulen, gezielte Panikmache der privaten Repetitoriumsanbieter und deren aggressive Werbung in den Universitäten und die Verunsicherung innerhalb der Studierenden führen zu einem Klima der Examensangst. Unaufrichtigkeit und Einzelkämpferdenken, die in manchen Fächern vermehrt vorkommen, verschärfen das Problem. Von den Ängsten der Studierenden lebt mittlerweile eine ganze Nachhilfe-Industrie.
Selbstdisziplin, Teamgeist und ein bisschen Ehrlichkeit
Genau mit diesem Thema hat sich auch „Auris“ in der 1. Folge seiner Kolumne „PULSmesser“ beschäftigt: „Lernen ist Wettbewerbsverzerrung“.
„Auris“ beschreibt das irritierende Verhalten von Prüfungskandidaten und die offensichtliche Unwahrheit über ihr Lernverhalten. Wenn „alle“ Kommilitonen erzählen, sie würden „alles“ oder auch „gar nichts“ wissen oder bräuchten überhaupt nicht zu lernen, verunsichert das andere Kommilitonen, weil sie ihre eigene Situation dadurch sehr schlecht einschätzen können.
„Auris“ empfiehlt, das alles zu ignorieren und sich auf den Hosenboden zu setzen und zu lernen. Und zwar jeden Tag. Gleichzeitig ruft er die Studierenden zu mehr Aufrichtigkeit auf: Wer zugibt, intensiv lernen zu müssen, ist deswegen noch lange nicht ein uncooler Streber. Sondern ehrlich und realistisch.
Ähnliche Empfehlungen geben auch verschiedene Interviewpartner des Beitrags „Kauf dir dein Studium“: Man sollte sich eingestehen, dass man für das Studium hart lernen muss. Manche sind gut damit gefahren, allein zu lernen, andere haben sich in Lerngruppen organisiert.
Egal, ob allein oder gemeinsam: Ohne Lernen geht es nicht. Der immense Wissenszuwachs ist schließlich ein zentrales Ziel des Studiums.
Lösungsansatz der Universitäten
Die Hochschulen realisieren zunehmend, dass von vielen Studierenden für die Examens-Vorbereitung Repetitorien gewünscht werden. Der Fachbereich Medizin der Goethe-Universität bietet eine solche gemeinsame Vorbereitung auf das „Hammerexamen“ seit mehreren Jahren an. In der statistischen Auswertung zeigt sich, dass durch diese gezielte Vorbereitung die Misserfolgsquote signifikant verringert werden konnte („Vorbereitung auf Hammerexamen: Prä-PJ-Tutoriat, Online-Feedback-Test und VBK-M2“).
Auch für psychologischen Beistand muss niemand zwangsläufig bezahlen:
Psychischen und emotionalen Rückhalt gibt es beispielsweise in einer Lerngruppe: Wenn man monate- oder jahrelang gemeinsam gelernt hat, erhält man auch noch am Abend vor einer Prüfung Trost und Rückhalt.
Für Studierende mit besonders starken Prüfungsängsten bieten die psychologischen Beratungsstellen der Universitäten Beratung an.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Haben Sie ein Repetitorium ausprobiert?
Haben Sie allein gelernt?
Was hat Ihnen geholfen?
Schreiben Sie uns und teilen Sie Ihre Erfahrungen zur Vorbereitung auf Präphysikum, Physikum oder anderen harten Prüfungen über Kommentare und Leserbriefe mit anderen Studierenden des Fachbereichs.
Bettina Wurche