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Forschung: Der Dschungel im Bauchnabel

Forschung: Der Dschungel im Bauchnabel

Ausgerechnet im menschlichen Bauchnabel haben Mikrobiologen noch einen ganzen Mikrobenzoo entdeckt: Hier tummeln sich Bakterien in ungeahnter Biodiversität, darunter über 1400 neue Arten!

Die Biologen Jiri Hulcr, Andrea Lucky und Robert Dunn von der North Carolina State University haben mit Wattestäbchen Abstriche aus Umbilici entnommen und dabei 2368 verschiedene Bakterienarten nachgewiesen, darunter mehr als 1400 unbekannte Arten. (PLOS: A Jungle in There: Bacteria in Belly Buttons are Highly Diverse, but Predictable; Jiri Hulcr1,2, Andrew M. Latimer3, Jessica B. Henley4, Nina R. Rountree2, Noah Fierer4,5, Andrea Lucky2,6, Margaret D. Lowman1,7, Robert R. Dunn2*

Die Probanden waren 60 TeilnehmerInnen des ScienceOnline meeting of science communicators (January 13–15, 2011, Raleigh, NC, USA), und vom Darwin Day im Museum of Natural Sciences in Raleigh, NC (February 12, 2011). Die Bakterienstriche wurden kultiviert und dann mit den 16S rDNA-Datenbanken abgeglichen.

Nabelschau der Mikrobiologen: Oligarchen gesucht

Eigentlich wollten die Mikrobiologen mit dieser Bauchnabel-Reihenuntersuchung vor allem die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre mikrobiologische Forschung lenken, schreibt Rob Dunn in seinem unterhaltsamen Science-Blog-Beitrag „After 2 Years Scientists Still Can’t Solve Belly Button Mystery, Continue Navel-Gazing“.
Aber dann wurde aus dem spielerischen Ansatz, Menschen in die Erforschung ihrer eigenen Bakterienbesiedlung mit einzubeziehen, ganz schnell ein extrem spannendes Forschungsprojekt. Neben der reinen Bakterien-Volkszählung überprüften die Forscher auch noch die Oligarchie-Hypothese aus der tropischen Makroökologie auf ihre Anwendbarkeit auf die Bakterienfauna.
Lässt sich aus einer Probe und deren Häufigkeit von Phylotypen auch deren Häufigkeit in anderen, unabhängigen Proben vorhersagen?
Außerdem wurde untersucht, ob häufige Phylotypen (Oligarchen) phylogenetisch enger beieinander liegen als seltenere Phylotypen.

Die Forscher fanden in den Bauchnabeln eine ähnlich diverse Fauna wie in und an anderen Körperteilen des Menschen, durchschnittlich waren es 67 Arten. Davon gehörten über 80 % zu nur 6 Phylotypen. Diese Zahlen bestätigen die Oligarchie-Hypothese: Wenige Arten bilden den weitaus größten Anteil der Biomasse.

“You, my friend, are a wonderland”

Ungewöhnlich ist, dass diese Umbilicus-Mikrofauna von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich ist – die Fauna scheint regelrecht endemisch zu sein. In einem (angeblich) seit zwei Jahren ungewaschenen Bauchnabel fanden die neugierigen Mikrobiologen dann sogar noch zwei Archeenarten – eine kleine wissenschaftliche Sensation.
Verblüffend ist die Anwesenheit einiger exotische Bakterien aus fernen Ländern, in denen die Probanden selbst nie gewesen waren. “You, my friend, are a wonderland”, schrieb Dunn an Zimmer: Dunn hatte nämlich in Zimmers Bauchnabel Bakterien gefunden, die aus Japan stammten – wobei Zimmer noch nie in Japan war.
Carl Zimmer schreibt in seinem lesenswerten Blogeintrag „Discovering my microbiome: “You, my friend, are a wonderland”“ stolz über die wissenschaftlichen Entdeckungen seines Bauchnabels und das „Projekt Umbilicus“.

Wie die Besiedlung des Bauchnabels genau verläuft und welche Funktion die Bakterienfauna für den menschlichen Körper hat, ist bisher noch ungeklärt.
Die Erforschung des Umbilicus steht noch am Anfang.

Und dann sind da immer noch zahlreiche weitere faszinierende Bakterien-Habitate wie Augenbrauen, Ellenbeuge, Ohren, Fußnägeln,…und natürlich den Darm, wie Giulia Enders in ihrem herrlcihen Science-Slam-Beitrag und im “PULS.”-Interview so  überzeugend darstellte:

„Famulatur: Die Mikrobiologie, der Darm und die Brain-Gut-Microbiobe-Axis“

Interview Giulia Enders: „Darm mit Charme“

Bettina Wurche

 

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