Können bestimmte Roboter-Artefakte kranken älteren Menschen den Alltag erleichtern, indem sie auf ihre sozialen und emotionalen Bedürfnisse eingehen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich das Forschungsprojekt “ER im Alter” mit dem Untertitel „Chronische Krankheit, Funktionsverlust und Funktionserhalt im Alter – Soziale und emotionale Ansprache durch Technik“.
Diplom-Psychologe Arthur Schall vom Arbeitsbereich Altersmedizin erzählt im puls.-Interview über den Einsatz unterschiedlicher Arten von Robotertechnik: „Grundsätzlich gibt es Service-Roboter für spezielle Aufgaben wie Staubsaugen, Fensterputzen und andere kleine alltägliche Arbeiten sowie Soziale Assistenzroboter für funktionale und emotionale Bedürfnisse. Der Caro-O-Bot 3 des Fraunhofer-Instituts wäre so ein Prototyp eines Service-Roboters – eine Art Butler, der z. B. Getränke bringen kann. Allerdings ist dieser noch nicht auf dem Markt. Die Stärken der Sozialen Assistenzroboter liegen dagegen in der Interaktion, Kommunikation und dem Companionship.
Companionship bedeutet in diesem Fall „Gesellschaft leisten“ – so ein Companion-Roboter kann zum Gefährten werden.
Dabei wird zwischen sogenannten Telepräsenzrobotern und echten Emotionalen Robotern unterschieden. In manchen Ländern (z.B. Japan) sind solche sozial-emotionalen Roboter in der Altenbetreuung bereits im Einsatz, in Deutschland, bis auf ganz wenige Ausnahmen, allerdings noch nicht.“
Was kann „Kumpel Roboter“?
Telepräsenzroboter ist ein ferngesteuertes, fahrbares und bewegliches Display mit Mikrofon und Webcam, das der Kommunikation zwischen Personen an verschiedenen Orten dient. Im Bereich der Betreuung von älteren Menschen könnte ein solches Artefakt virtuelle Unterstützung und Kommunikation zur besseren Bewältigung des Alltags bieten, z. B. bei der Einnahme von Medikamenten oder bei der Verrichtung von häuslichen Tätigkeiten. Solche Roboter werden beispielsweise in den USA bereits testweise eingesetzt. Ein Beispiel dafür wäre ein Schüler, der wegen einer Erkrankung in Quarantäne ist, seinen Telepräsenzroboter jedoch in die Schule steuern, über den Bildschirm am Unterricht teilnehmen und auf diese Weise interaktiv kommunizieren kann.
Sozial-emotionale Roboter haben meist das Aussehen von Haus- oder Kuscheltieren – und auch vergleichbare Aufgaben. Diese Roboter sind zuständig für Stimmungslage und Emotionen und könnten manchmal einen Ersatz für die sehr erfolgreiche Tiertherapie bieten, da sie strapazierfähiger, hygienischer und dadurch sicherer sind als echte Tiere. Selbst trainierte Therapiehunde können manchmal an ihre Grenzen kommen und beißen. Ein Roboter muss dagegen nicht gefüttert, zum Tierarzt gebracht oder „Gassi geführt“ werden. Emotionale Roboter sind also geeignet für Menschen, die gern ein Haustier hätten, dies aber aus verschiedenen Gründen nicht realisierbar ist.
Sozial-emotionale Roboter – in Deutschland noch ein Tabu-Thema?
Die meisten dieser sozial-emotionalen Roboter kommen heute aus Japan, wo sie im Bereich der Altenpflege schon gute Arbeit leisten. Der erfolgreichste unter ihnen ist der einer Baby-Robbe nachempfundene Roboter „Paro“, daneben gibt es aber auch noch andere in Form von Dinosauriern oder Comic-Figuren. Die Roboter-Robbe reagiert bei Kontakt mit Menschen und kann je nach Art der Berührung den Kopf heben, Flossen und Augen bewegen und Laute äußern. Sie hat einen Tag- und Nacht-Rhythmus und kann auch von sich aus Verhalten zeigen, um auf sich aufmerksam zu machen. In Japan ist die Akzeptanz für Roboter in der Bevölkerung ziemlich hoch, da die Technik dort kulturell eine größere Rolle spielt. Viele Japaner sind äußerst technikbegeistert und den Innovationen in diesem Bereich, selbst anthropomorphen Maschinen gegenüber, durchaus positiv eingestellt.
Das ist in Deutschland ein wenig anders: Auch wenn die Roboter-Robbe „Paro“ bereits in einer Reihe von Pflegeeinrichtungen eingesetzt wird, ist hierzulande die Ablehnung Technik gegenüber höher. Vor allem, wenn es um Roboter in Menschengestalt geht. Dahinter steht die Befürchtung, dass „kalte Maschinen“ Pflegepersonal und menschliche Zuwendung ersetzen könnten. Die Roboter sollen und können aber keineswegs Personal ersetzen, sie sollen vielmehr zusätzlich eingesetzt werden.
„Die Ablehnung eines emotionalen Roboters ist übrigens umso stärker, je ähnlicher die Maschine ihrem natürlichen Vorbild (Mensch, Katze etc.) ist und je weniger sie dabei gleichzeitig die geweckten Erwartungen erfüllt: Ein Katzenroboter, der im Ruhezustand eine positive Wirkung erzielt, stößt durch seine ruckelnden Bewegungen auf stärkere Ablehnung, da man mit einer Katze elegante, flüssige Bewegungsabläufe assoziiert“, erläutert Arthur Schall aus psychologischer Sicht.
Der Robbenroboter ist da wenig problematisch: Eine Robbe bewegt sich an Land ohnehin weniger und nicht so elegant, dazu kennen die meisten Menschen Robben in natura kaum.
In Japan gleichen manche Roboter auch Fantasy- oder Comic-Figuren, die in der Kultur einen wesentlich höheren Stellenwert haben und mit ihrem übersteigerten Kindchenschema (Manga-Comics) auf viele Menschen automatisch anziehend wirken.
„Auch die meisten entsprechenden Studien kommen aus Japan – oftmals mit sehr positiven Ergebnissen, was nicht verwunderlich ist, da diese „Forschung“ häufig von den Herstellern selbst in Auftrag gegeben und finanziert wird. Eine gewissen Prädisposition, zu kleine Stichproben, fehlende Kontrollgruppen und mangelhafte Standardisierung der Kontexte sorgen dann dafür, dass deren wissenschaftlicher Aussagewert durchaus kritisch zu sehen ist“, erklärt der Psychologe.
Sind japanische Roboter auch für deutsche Klienten geeignet?
Aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Japan und Deutschland sind wichtige Fragestellungen in diesem Zusammenhang: Können sozial-emotionale Roboter aus anderen Kulturkreisen ohne weiteres auf den deutschen Markt übertragen werden? Oder müssen sie modifiziert und an unsere spezifischen kulturellen und pflegerischen Kontexte angepasst werden, um eine höhere Akzeptanz zu erzielen?
Zur Klärung dieser Fragestellungen bedarf es belastbarer Studien zum Bedarf, den Akzeptanzvoraussetzungen und den Einsatzmöglichkeiten in Deutschland. Doch wie und wodurch wird die Akzeptanz der Geräte beeinflusst?
„Unser Pilot-Projekt ist eine großangelegte Bedarfs- und Akzeptanzerhebung, in der auch untersucht wird, welche Wege man gehen könnte, um hierzulande erfolgreiche und akzeptierte sozial-emotionale Roboter-Artefakte für den deutschen Markt zu entwickeln“, führt Arthur Schall aus.
Dies wird untersucht anhand von zwei exemplarischen Artefakten, der oben bereits vorgestellten japanischen Roboter-Robbe „Paro“ und dem schwedischen Telepräsenzroboter „Giraff“.
Die Robbe „Paro“ wirkt mit ihrem weißen Fell, den großen schwarzen Kulleraugen, ihren Proportionen und den ungelenken Bewegungen „unschuldig“, „hilflos“ und „süß“. Das Kindchenschema in Perfektion!
Übrigens: „Paro“ isst keine Fische, sondern lutscht Strom: Der Stecker zum Aufladen in Form eines Schnullers wird direkt ins Maul gestöpselt.
„Die Robbe „Paro“ hat einen ausgeprägten Aufforderungscharakter, sorgt für positive Emotionalisierung und lädt automatisch zur Interaktion ein“, meint Schall. „Selbst Personen, die auf die Bilder der Roboter-Robbe zunächst eher reserviert reagieren, beginnen beim persönlichen Kontakt mit ihr, sie unwillkürlich zu streicheln oder mit ihr zu sprechen.“
Für den Umgang mit der Robbe bedarf es übrigens keiner technischen Kenntnisse, denn der Umgang mit ihr ist ganz intuitiv. Im Moment ist sie allerdings noch sehr teuer – etwa 5.000 € pro Stück. Es gibt aber auch deutlich günstigere Modelle von emotionalen Robotern, wie den Saurier „Pleo“, der ebenfalls Stimmen erkennt, sich bewegen kann, auf Licht und Dunkelheit reagiert und den man sogar mit einem speziellen „Laubblatt“ „füttern“ kann.
„Wichtige Parameter für die Akzeptanz der emotionalen Roboter sind die Haptik der Oberfläche und die Stimme“, erklärt der Psychologe. Und da ist die Robbe dem Dino eben überlegen.
Vielleicht sollte jemand dem „Pleo“-Produzenten erklären, dass einige Dinos durchaus auch ein kuscheliges Gefieder hatten? Das dürfte eine sehr angenehme Haptik haben.
Gibt es in Deutschland einen Bedarf für sozial-emotionale Roboter in der Pflege? Und wie sieht es mit der Akzeptanz solcher Artefakte aus?
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Emotionale und soziale Robotik im Alter (ERimAlter)“ wurde eine komplexe Studie zur Befragung von älteren Menschen, pflegenden Angehörigen, Pflegepersonal ohne und mit Roboter-Erfahrung und Entscheidern (z.B. Pflegedienstleitung) entwickelt.
Diese Experteninterviews verlaufen in vier Stufen:
1. Inaktive Vorstellung der Roboter-Artefakte: Fotos und Beschreibungen
2. Aktive Vorstellung der Roboter-Artefakte: Film
3. Direkte persönliche Interaktion mit den Roboter-Artefakten
4. Anwendungsbeispiele für Roboter-Artefakte: Film
Nach jeder Stufe füllen die Befragten umfangreiche Fragebögen aus und beantworten u.a. Fragen zur Nützlichkeit, Handhabung und Anwendungsmöglichkeiten.
Zu Anfang reagieren manche Interview-Teilnehmer etwas ablehnend: Oft bestehen gewisse Ängste vor den Robotern oder Vorurteile – die potentiellen Nutzer befürchten, die Technik nicht zu verstehen oder „etwas kaputt zu machen“. Dazu kommen Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Robotern in der Pflege und Betreuung von älteren Menschen.
Auch wenn die Befragten zu Beginn des Interviews bei der theoretischen Vorstellung der Roboter noch etwas zurückhaltend sind, lassen sie sich beim persönlichen Umgang mit einem emotionalen Roboter dann doch schnell „verzaubern“.
„Erste Ergebnisse zeigen: Von Stufe zu Stufe nimmt die Akzeptanz zu! Wir haben beobachtet, dass selbst skeptische Personen mit der kuscheligen Roboter-Robbe schnell in Kontakt treten. Die Robbe lädt ja auch mit ihren Bewegungen, Blicken und Geräuschen förmlich zu einem interaktiven Austausch ein“, berichtet Arthur Schall.
Sind sozial-emotionale Roboter ethisch bedenklich?
Dürfen wir Maschinen wie emotionale Roboter in der Betreuung und Pflege von Menschen dulden?
Ist dies ethisch vertretbar? Ethische Fragestellungen beim Einsatz von sozial-emotionalen Robotern in der Betreuung und Pflege von älteren und chronisch kranken Menschen sind ein komplexes und heikles Feld. Häufig nehmen Diskussionen in diesem Kontext einen recht emotionalen Charakter an. Auf alle Fälle ist es wichtig zu sagen, dass die Maschinen keineswegs menschliche Zuwendung ersetzen sollen, sondern den Pflegenden in gewissen Situationen unterstützend und helfend zur Seite stehen. Jeder Mensch weiß, dass ein Kind sich durch sein geliebtes Kuscheltier besser und schneller beruhigt oder besser einschläft. Den gleichen Effekt kann auch ein Kuschelkissen haben – ebenso auf Erwachsene. Für viele Menschen in Deutschland sind außerdem Hunde oder Katzen wichtige Bezugswesen. All diese Dinge oder Tiere sorgen für mehr Wohlbefinden und „streicheln“ die Psyche der Besitzer.
Auch emotionale Roboter könnten durch ihre entspannende Wirkung das Wohlbefinden steigern und z.B. bei demenziell erkrankten Menschen positive Emotionen wecken.
Besonders dort, wo die Haustierhaltung schwierig oder unmöglich ist.
Besonders dann, wenn gerade kein Mensch zur Stelle sein kann.
Sie sind immer da, immer gut gelaunt und haben immer Zeit. Und haben dafür keine Nebenwirkungen.
Sie könnten ein zusätzlicher Schritt sein für etwas mehr Lebensqualität für Menschen mit Demenz.
Neben der persönlichen Zuwendung.
Das Forschungsprojekt “ER im Alter” mit dem Untertitel „Chronische Krankheit, Funktionsverlust und Funktionserhalt im Alter – Soziale und emotionale Ansprache durch Technik“ ist ein interdisziplinäres Pilotprojekt. Es ist eine im Rahmen des BMBF-Schwerpunktes „Mensch-Technik-Interaktion für den demografischen Wandel“ geförderte Kooperation des Forums Alternswissenschaften und Alterspolitik, von Seiten der Goethe-Universität vertreten durch den Arbeitsbereich Altersmedizin (Prof. Dr. J. Pantel) und die Abteilungen Entwicklungspsychologie (Prof. Dr. M. Knopf) und Interdisziplinäre Alternswissenschaft (Prof. Dr. F. Oswald) und von Seiten der FH-Frankfurt durch den Fachbereich Soziale Arbeit (Prof. Dr. B. Klein).