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Musik hilft, wenn die Worte fehlen – Kreative Therapien für Menschen mit Demenz

Dipl.-Psych. Arthur Schall M.A. hat Musik- und Kunstwissenschaft und Psychologie studiert.
Er arbeitet interdisziplinär im Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes Pantel am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt.

„Klangbrücken“ helfen Menschen mit Demenz

In einer quantitativen Pilotstudie im Rahmen des Praxis-Forschungsprojekts „Klangbrücken“ haben Arthur Schall und seine Kollegen die Effekte von Einzelmusiktherapie bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz im häuslichen Setting untersucht.
Bisher gab es dazu vor allem qualitative Studien, wie z.B. Erfahrungsberichte oder Falldarstellungen, mit sehr kleinen Stichproben. In den wenigen quantitativen Untersuchungen zur Wirkung von Musiktherapie bei Demenz wurden beispielsweise der kognitive Zustand oder bestimmte psychopathologische Symptome vor und nach der Therapie erfasst und dann verglichen. Meistens war das Ergebnis, dass die Therapie den Zustand des Teilnehmers kaum oder gar nicht verbessert hat.
Diese negativen Ergebnisse stehen jedoch im signifikanten Widerspruch zu Beobachtungen von Musiktherapeuten und Angehörigen – die demenziell erkrankten Teilnehmer zeigen während der Therapie sehr wohl positive Reaktionen!
Allerdings sind diese Effekte nur schwierig zu messen  und statistisch nachzuweisen.

Positive Auswirkungen der Musiktherapie sind quantitativ erfaßbar!

Um die positive Wirkung von Musiktherapie zu quantifizieren, haben Arthur Schall und seine Kollegen in ihrer Pilotstudie die Zeitreihenanalyse angewandt. Dieser methodische Ansatz dient normalerweise zur Analyse von Börsenkursen oder meteorologischer Daten. Zunächst wurden die Teilnehmer während der ca. 45-minütigen Musiktherapiesitzungen auf Video aufgenommen.
Anschließend wurde jedes Video in 30-sekündige Sequenzen aufgeteilt und von zwei geschulten und unabhängigen Beobachtern mit Hilfe spezieller Rating-Instrumente ausgewertet. Für jeden einzelnen Messzeitpunkt konnten auf diese Weise die Kommunikationsfähigkeit, das Wohlbefinden sowie der Ausprägungsgrad positiver Emotionen von Menschen mit Demenz detailliert analysiert werden. Allein 14 Items haben das verbale und nonverbale Kommunikationsverhalten, wie z.B. Blickkontakt, Lautäußerungen oder sinnvolle Interaktion,  gemessen.

Die Ergebnisse der quantitativen Auswertung der musiktherapeutischen Sitzungen mittels Zeitreihenanalyse zeigten deutlich: Durch Einzelmusiktherapie lassen sich die nonverbale Kommunikation und das Wohlbefinden der demenziell erkranken Menschen signifikant verbessern.
Eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Musiktherapie ist die sorgfältige Kenntnis der musikalischen Biographie der Klienten: Welche Musik wurde früher gern gehört? Bestehen aktive Musiziererfahrungen wie Spielen auf einem Musikinstrument, Singen im Chor oder ähnliches, an die man anknüpfen kann.
Das Wissen um persönliche biographische Aspekte ist natürlich auch für andere kreative Therapieansätze eine wichtige Erfolgsgrundlage.

Kunstbegegungen im Museum

Ein weiteres, demnächst beginnendes kreativtherapeutisches Forschungsprojekt ist „Kunstbegegnungen im Museum“, einer Kooperation des Arbeitsbereichs Altersmedizin mit dem Städel Museum in Frankfurt am Main. Mit diesem Projekt soll die soziokulturelle Teilhabe und Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen gefördert werden.
Die Diagnose „Demenz“ ist für Betroffene und Angehörige oft sehr erschreckend. Viele Menschen ziehen sich danach zurück. Mit dem Fortschreiten der Krankheit nehmen die kognitiven Fähigkeiten ab, wodurch auch die Kommunikation immer schwieriger wird. Im Zentrum des Projekts stehen interaktive thematische Kunstführungen in Kleingruppen, die speziell auf Menschen mit Demenz zugeschnitten sind. Im Anschluss an die Führungen mit ausgewählten Kunstwerken können die Teilnehmer in den Atelierräumen selbst kreativ tätig werden, etwa durch Malen. Unter sachkundiger kunstpädagogischer Anleitung könnten die Teilnehmer ihre Hemmschwellen überwinden, was die Museumsführungen und die kreative Atelierarbeit zu positiven gemeinsamen Erlebnissen für die demenziell erkrankten Menschen und ihre Angehörigen machen würde.
Menschen mit Demenz werden also durch Malen oder Musizieren deutlich entspannter und fühlen sich wohler!
Sie finden über diese nonverbalen kreativen Ausdrucksformen offenbar ein emotionales Ventil.

Gar nicht überraschend: Denn durch Kunst oder Musik können sich auch die Menschen ausdrücken, deren kognitive und sprachliche Fähigkeit durch die Demenz beeinträchtigt ist. Auch mit ihren Angehörigen können sie auf diese Weise wieder kommunizieren.
Allerdings brauchen solche Konzepte, um Erfolg zu haben, unbedingt psychologisches Knowhow. Ihr Erfolg lässt sich am besten garantieren, wenn sie angemessen wissenschaftlich begleitet werden.

Das Musiktherapie-Projekt und  ähnliche Projekte wurden in der Sendung „Quarks und Co“ vorgestellt: „Demenz: Die unbekannte Krankheit“ vom 25. März 2014. Hier finden Sie eine Aufzeichnung der Sendung.

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