Der GAU des AKW-Komplexes im japanischen Fukushima ist in „PULS.“ bereits thematisiert worden (“Erdbeben, Tsunami, GAU – Studium?”).
Die radioaktive Verstrahlung ganzer Landstriche in der dicht besiedelten Küstenregion dürfte schwerwiegende medizinische Folgen für zumindest die nächsten Jahrzehnte für die gesamte Region um Fukushima herum haben.
Für Mediziner und Studierende der Medizin hat das Thema „Radioaktivität“ noch zusätzlich zu rein privaten Befürchtungen um die eigene Gesundheit die Dimension des beruflichen Umgangs damit.
Radioaktive Verstrahlung ist ein gesundheitliches Thema von globaler Bedeutung. Globale gesundheitliche Themen werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO bearbeitet, zu deren Hauptaufgabe die Förderung der allgemeinen Gesundheit der Menschen auf der Welt gehört. Bei Gesundheitsfragen von internationaler Bedeutung erarbeiten die Experten der WHO Leitlinien für Staaten und Ärzte weltweit, um mit der gesundheitlichen Bedrohung bestmöglich umzugehen.
Spielt die WHO die Gesundheitsgefährdung durch radioaktive Verstrahlung herunter?
Zu den Gefahren der radioaktiven Verstrahlung nach dem Fukushima-GAU ist die WHO sehr still geblieben. Mittlerweile kommen erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der WHO von anderen Gremien auf.
Der Frankfurter Chirurg und FB 16-ALUMNI Dr. Bernd Hontschik hat seine Kolumne vom 22.04.2011 in der FR diesem Thema gewidmet: „Sakrosankt“.
Dr. Hontschik greift in seiner FR-Kolumne „Diagnose“ regelmäßig aktuelle medizinische Themen auf und hinterfragt sie kritisch. Die Kolumne ist oft ein Gegenentwurf zur offiziellen Meinung und immer lesenswert!
In „Sakrosankt“ prangert er ein Abkommen der WHO mit der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO an: „Es gibt einen Geheimvertrag zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO aus dem Jahre 1959, der die WHO verpflichtet, keine wissenschaftlichen Untersuchungen und keine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, keine Maßnahmen zu propagieren ohne vorherige Genehmigung durch die IAEO.“
Auch Greenpeace ruft in dem Artikel „WHO spielt Gesundheitsgefährdung durch Fukushima herunter“ von Simone Miller vom 07.04.2011 die WHO dazu auf, den Maulkorb der IAEO abzustreifen und ihrer internationalen Verantwortung für den Schutz der Gesundheit der Menschen gerecht zu werden:
„Doch das für den Westpazifik zuständige Büro der UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) spielt die Gesundheitsrisiken herunter. In der Zusammenfassung zu ihrem letzten Situationsbericht vom 6. April teilte die WHO beispielsweise mit, die im Seewasser am 3. April gezogenen Proben lägen unter den zulässigen Grenzwerten für Jod-131, während Medien am selben Tag berichteten, dass im Meer eine Strahlendosis gemessen worden sei, die den Grenzwert um das 4000-Fache übertrifft. […]
Hintergrund für das kontinuierliche Herunterspielen der Gefährdungen durch die aus Fukushima entweichende Strahlung ist eine Vereinbarung der WHO mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aus dem Jahre 1959. In dieser Vereinbarung gewährt die WHO der IAEO die Kontrolle über alle Gesundheitsstudien zu Folgen radioaktiver Strahlung und billigt damit, dass sie in ihrer Arbeit eingeschränkt wird.“
Die Schlussfolgerung, welches Licht das Verhalten der WHO bezüglich der schweren Unfälle in den AKWs von Fukushima und Tschernobyl auf ihre selbst postulierte Unabhängigkeit wirft, bleibt jedem Leser und jeder Leserin selbst überlassen.
Klar ist: Die Verpflichtung zum kritischen Denken besteht immer und überall. Vor allem bei heißen Themen.
Der gesunde Menschenverstand und die eigene ethische Haltung sind manchmal bessere Wegweiser als “unantastbare” Institutionen oder Publikationsorgane.
Bettina Wurche
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