Ein interdisziplinäres Seminar zu Notfällen aus den Bereichen Neonatologie, Kinderanästhesiologie und pädiatrischer Intensivmedizin
puls. im Interview mit Herrn Dr. Boris Wittekindt, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Neonatologie“ und der Kursteilnehmerin Ester Burbach.
puls.: „Herr Dr. Wittekindt, Sie haben einen speziellen Kurs „Pädiatrische Notfallmedizin“ konzipiert. Was waren Ihre Beweggründe dafür?“
B. W.: „Die Pädiatrie ist sehr interdisziplinär. Die Notfallmedizin für kleine Kindern hat doch einige Besonderheiten, die weder durch die Pädiatrie noch durch die anästhesiologisch geprägte Notfallmedizin gut abgedeckt werden.
Ich wollte schon seit längerem eine interdisziplinäre Fortbildung für Ärzte organisieren, die die Fachgebiete Anästhesiologie, Neonatologie und Pädiatrie verbindet, weil ich persönlich unbedingt mehr darüber lernen wollte. Bei näherem Nachdenken schien es auch eine sehr gute Idee zu sein, das für die Studierenden anzubieten. Die einzelnen Themenkomplexe werden zwar schon unterrichtet, aber eben nicht in dieser Verbindung und die halte ich für sehr wichtig.
Der Kurs ist noch recht neu, er läuft erst seit einem Jahr. Jeder Kurs läuft über zwei Semester, die beiden einzelnen Module sind aber in sich geschlossen und können auch einzeln belegt werden. Die Hauptzielgruppe sind die 4., 5. Und 6. Klinischen Semester, aber natürlich sind alle Interessierten herzlich willkommen.“
puls.: „Was ist das Besondere an diesem Kurs?“
B. W.: „Die Interdisziplinarität! Wir haben an den meisten Terminen meistens zwei Dozenten, die gemeinsam einen Fall vorstellen. Jeder Dozent betrachtet und erklärt den Fall dann unter besonderer Berücksichtigung seines Fachgebietes, daraus ergeben sich sehr spannende und detaillierte Diskussionen.
Meistens steigen wir erst einmal mit einem Kurzreferat eines Studierenden ein, der einen Fall vorstellt. Dann geht es interaktiv weiter, der Fall wird gemeinsam gelöst. Die Studierenden beginnen und die Dozenten schalten sich dann ein mit weiterführenden Fragen oder ergänzenden Informationen. Die Studierenden werden also aktiv in den Fall einbezogen und wir entwickeln dann gemeinsam die Lösung.
Ein solches Thema kann sein: „Kritische Atemwegserkrankungen“. Das wäre dann etwa ein akuter Asthmaanfall eines Kindes in der Nacht. Andere Themen könnten eine Verbrennung oder Verbrühung sein oder eine Intoxination oder Ingestion eines Fremdkörpers. Auch Notfallsituationen in Folge eines angeborenen Herzfehlers werden besprochen. Das sind typische Themenkomplexe aus der Kindernotfallmedizin.“
puls.: „Wie läuft der Kurs ab?“
E. B. „Der Kurs ist ein Wahlfach, es gibt keine Klausur und es kommen nur die Interessierten. Wer einen Schein braucht, muss regelmäßig teilnehmen, aber einige kommen auch einfach nur so. Der Leistungsnachweis ist ein Referat. Das Lernklima ist wirklich gut! Trotz eines langen Tages machen wir noch ordentlich mit.
Der Kurs ist eine wirklich gute Ergänzung zur Pädiatrie-Vorlesung, denn da besprechen wir kaum Fälle.“
B. W.: „Der Kurz ist überwiegend theoretisch, es gibt aber auch praktischen Übungen. Z. B. die Reanimation am Neugeborenen-Simulator. Das ist auf jeden Fall wichtig für diejenigen, die später als Notarzt oder Kinderarzt arbeiten wollen. Jedes NEF hat eine Ausrüstung auch für Kinder dabei, dazu gibt e s noch spezielle NEFs für Kinder oder Säuglinge. Kindernotfälle sind aber sehr selten, darum ist es schwierig, da bei über die Arbeit Routine zu bekommen. Bei Notfallsituationen mit kleinen Kindern werden selbst erfahrene Notärzte oft unsicher. Was keine Zähne hat, davon lassen die meisten Ärzte am liebsten die Finger.“
puls.: „Frau Burbach, Herr Dr. Wittekindt, wie sind Sie zur Kinderheilkunde gekommen?“
E. B.: „Neonatologie interessiert mich! Ich war als Famulantin in der Neonatologie und gleich an meinem zweiten Tag auf der Station, als dort noch alles neu für mich war, hatten wir eine Sectio caesarea. Alles war bis dahin gut gelaufen, es zeichneten sich keine Probleme bei der Mutter oder dem Kind ab – und dann atmete das Kind nicht! Das hat mich nachdenklich gemacht – beim nächsten Mal möchte ich darauf besser vorbereitet sein. Denn ich möchte später vielleicht in diesem Bereich arbeiten. Durch den Notfall-Kurs werde ich auf genau solche Situationen viel besser vorbereitet!“
B. W.: „Ich bin durch Zufall zur Pädiatrie gekommen. Mein bester Studienfreund, mit dem ich in einer Lerngruppe war, wollte unbedingt Kinderonkologe werden. Wir haben immer zusammen gelernt und allmählich habe ich mich dann auch zunehmend für das Thema interessiert. Und das Fach dann auch belegt. Auf der Station für Neonatologie hat mich das Thema dann so richtig gepackt. Mein Spezialgebiet sind Kinder mit angeborenen Fehlbildungen.
Neben der Behandlung meiner kleinen Patienten habe ich mich auch schon immer für Lehre interessiert. Wenn ich mich in ein Themengebiet einarbeiten wollte, habe ich oft eine Lehrveranstaltung für Studierende dazu konzipiert. Danach war ich dann in dem Thema ´drin.
Jetzt wollte ich unbedingt mehr über Kinderanästhesiologie lernen, so kam es zu diesem interdisziplinären Kurs. In der Kinderheilkunde wäre noch mehr interdisziplinärer Arbeit wünschenswert, wir würden alle von noch profitieren.“
puls. dankt Herrn Dr. Wittekindt und Frau Burbach für das engagierte und spannende Interview.
Das Interview führte puls.-Redakteurin Bettina Wurche.
Bettina Wurche