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Vorklinik: Minderjährige Studierende – U18 im Präp-Kurs

Durch die verkürzte Studienzeit werden in diesem WS 2011/2012 auch einige Minderjährige ihr Studium aufnehmen. Wie viele das sein werden, kann zurzeit noch niemand abschätzen. Im Fachbereich Medizin beginnen die Erstsemester dann direkt mit dem Präparierkurs.
Wie steht es mit der psychischen, sozialen und moralischen Reife von minderjährigen StudienanfängerInnen, wenn sie auf ihren ersten Körperspender treffen?
Macht es tatsächlich einen Unterschied, ob sie noch nicht ganz 18 oder gerade eben 18 Jahre alt sind?

„PULS.“ hat dazu mit mehreren Anatomie-Dozenten und Dozentinnen gesprochen: sie konnten sich nicht vorstellen, dass wenige Monate so einen großen Unterschied ausmachen werden.

Dazu der Prosektor und Kursleiter des Sektionskurses Herr PD Dr. Schomerus: „Aufgrund unserer Erfahrungen erwarten wir bei unseren Studierenden, egal, ob sie noch 17 oder schon 18 sind, keine besonderen Probleme. Bei den Führungen in der Anatomischen Sammlung für Schulklassen oder Auszubildende aus Heilberufen sind auch Jugendliche unter 18 Jahren dabei. Die kommen mit den anatomischen Präparaten gut zurecht. Allerdings führe ich keine Klassen oder Gruppen mit jüngeren Kindern, sie sollten schon mindestens in der Oberstufe sein. Einige Präparate in der Sammlung, wie die embryonalen Missbildungen können bei noch Jüngeren schon verstörend wirken. Aber bei knapp 18-Jährigen sehe ich keine Hindernisse für die Arbeit mit der Leiche.“

Stattdessen sei es sehr wichtig, alle Studienanfänger, wie es in Frankfurt ohnehin üblich ist, vorsichtig und umsichtig an den Präparierkurs heranzuführen.

„Natürlich machen wir Kursleiter uns Gedanken dazu, wie wir den Kurs beginnen“ erklärt er weiter. „Wir treffen uns natürlich nicht einfach um 09:00 Uhr an der Leiche, sondern beginnen den ersten Tag mit einigen einführenden Worten. Dabei geht es darum, woher die Körperspender kommen oder wie sich durch die Formaldehyd-Fixierung die Konsistenz und Farbe einer Leiche verändern. Erst danach gehen wir an die noch zugedeckte Leiche heran und beginnen dann langsam mit den ersten Schritten der Präparation. Kein Student wird am ersten Tag gezwungen, gleich mitzupräparieren, manche brauchen eine gewisse Anlaufzeit dafür. Die ersten ein bis zwei Tage sind bestimmt hart, aber dann haben sich die meisten Studierenden daran gewöhnt.“

Der in der Öffentlichkeit viel zitierte Zynismus der Kursleiter wird im Frankfurter Präp-Kurs nicht zelebriert: „Die Kursleiter gehen respektvoll mit den Leichen um. Und von den Studierenden fordern wir ebenfalls würdevollen Umgang mit den Körperspendern. Das heißt nicht, dass nicht gelacht werden darf. Aber Respekt ist uns wirklich wichtig. Darum gibt es bei uns auch jedes Jahr eine feierliche Beisetzung der Körperspender, die von den Studierenden gestaltet wird und an der dann auch die Hinterbliebenen teilnehmen.“

Und das wissen die Frankfurter Medizin-StudentInnen auch zu schätzen.
Das wurde nicht zuletzt bei der letzten Beisetzung der Körperspender auf dem Frankfurter Hauptfriedhof deutlich.

Bettina Wurche

Zum Weiterlesen:

“Vorklinik: Minderjährige Studierende – reif fürs Studium?”

„Ethik: Gedenkfeier und Beisetzung der Körperspender  2011“

 

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