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Tuberkulose – Die Schwindsucht kehrt zurück

Sonntagabend lief eine ausgezeichnete Dokumentation über Tuberkulose: „ Tuberkulose – die Seuche kehrt zurück“ (tagesschau24: Gesundheitsmagazin;  Mo 02.09.2013; 01:20-02:05). Die Doku kann zurzeit noch im ARD-Archiv aufgerufen werden.

In der Zeit der Industrialisierung ballten sich die Menschen in Städten – immer mehr Menschen lebten unter schlechten Bedingungen auf immer weniger Raum, ihre Ernährung war unzureichend und eine Gesundheitsfürsorge gab es für sie nicht. Tuberkulose wurde eine Volksseuche: „Nach einer preußischen Statistik von 1880 war jeder zweite Todesfall in der Gruppe der 15- bis 40-Jährigen auf eine Tuberkulose zurückzuführen.“. Wo Menschen dicht zusammenlebten, wurde die sogenannte „Offene Tuberkulose“ per Tröpfcheninfektion verbreitet. In dem Fall sind Bakterien im Sputum nachweisbar. Die Krankheit greift überwiegend die Lunge an, kann aber auch auf andere Körpergewebe übergreifen (Deutsches Tuberkulose-Archiv).

Mit besseren Lebensbedingungen und Vorsorgemaßnahmen nahm die Krankheit in den Industriezentren allmählich ab.
Aber sie kehrte zurück: In den Hungerjahren nach dem 2. Weltkrieg forderte sie unter der  hungernden Bevölkerung in den zerstörten Ruinen  der Städte viele Todesopfer.
In den 50-er Jahren nahmen die Gesundheitspolitiker und Ärzte den Kampf gegen die Tuberkulose auf: Die Einführung der verpflichtenden Röntgen-Reihenuntersuchung half bei der frühzeitigen Erkennung der Erkrankung. Die Entwicklung neuer  Medikamente und Therapien machte die Krankheit – bei rechtzeitiger Erkennung – besiegbar. Natürlich half auch die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung in der Zeit des Wirtschaftswunders im Kampf gegen die heimtückischen Bakterien.
Über Jahrzehnte hinweg  galt die Tuberkulose als besiegt: Die Röntgenreihenuntersuchung ergab nur noch  4,6 Erkrankungen pro 10.000 Menschen (1983 in Baden-Württemberg) und wurde schließlich abgesetzt.
Die offene Tuberkulose geriet in Deutschland und anderen Industrienationen in Vergessenheit. Es wurden keine neuen Medikamente entwickelt und viel Wissen um Diagnose und Therapie ging verloren.

Tuberkulose war und ist ein soziales Problem: Menschen, die obdachlos und unterernährt sind, haben ein sehr viel höheres Risiko, zu erkranken. Dazu kommt, dass die Tuberkulose-Therapie zwar möglich ist, die Medikamente aber über einen langen Zeitraum (bis zu über einem Jahr) absolut regelmäßig eingenommen werden müssen – für Menschen, die nicht in geregelten Verhältnissen leben, ist das fast unmöglich. Nur die pünktliche und langfristige Einnahme der verschiedenen Medikamente führt zur Heilung – ein frühzeitiger Abbruch kann zu weiteren Resistenzen und zum Rückfall führen.

Tb hat sich heute in großen Teilen Asiens und Afrikas gehalten und ist – nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und dem Zusammenbruch des dortigen Gesundheitssystems  – auch in Osteuropa auf dem Vormarsch. Gerade in Gebieten mit großer Armut oder hoher HIV-Infektionsrate ist die tückische Krankheit extrem weit verbreitet.
Durch immer mehr Mobilität, Fernreisen bis in entlegene Winkel und die globale Migration von Arbeitskräften, steigt seit einigen Jahren die  Anzahl der Tuberkulosekranken auch in Deutschland wieder an.
Leider wird sie oft erst nach Monaten erkannt und dann auch erst professionell behandelt, in der Zwischenzeit können die Kranken unzählige Gesunde angesteckt haben. Bei engem Kontakt im öffentlichen Nahverkehr, am Arbeitsplatz oder anderen Zusammenballungen von Menschen besteht ein Ansteckungsrisiko über Tröpfcheninfektion. Die Behandlung der offenen Tuberkulose geht oft mit der Isolierung der Patienten für Wochen oder Monate einher, das macht die Behandlung zusätzlich aufwändig und unangenehm.
Mycobacterium tuberculosis ist ein besonders heimtückisch: Der Erreger kann sich im Körper verkapseln und eine zu starke Immunabwehr einfach „aussitzen“. Sowie die Immunabwehr durch eine andere Erkrankung geschwächt wird, werden die Mycobakterien wieder aktiv und die Tuberkulose bricht wieder aus. Zwischen der Infektion und dem  Krankheitsausbruch können Jahrzehnte liegen.

Heute werden verschiedene Kategorien von Infizierten unterschieden:

  • Menschen, die bereits früher, etwa im Krieg, erkrankt waren und die Bakterien in sich getragen haben
  • Menschen, die eine geschwächte Immunabwehr haben (z. B. aufgrund eine HIV-Infektion)
  • Menschen, die aus Ländern mit einer hohen Tuberkulose-Infektionsrate kommen.

Eine besondere Gefahr geht jetzt von den resistenten Stämmen aus: Es gibt immer mehr Resistenzen, gleichzeitig ist die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente stark zurückgefahren worden.
Ärzte beklagen, dass sie die heutige Tuberkulose mit veralteten Medikamenten bekämpfen müssen.

Der TV-Beitrag dauert 45 Minuten. Er gibt eine gute Zusammenfassung der historischen Fakten und berichtet über den aktuellen Kampf gegen die gefürchteten Bakterien. Vom Tuberkulose-Schnelltest bis zur Behandlung. Verschiedene Experten vor allem aus dem Berliner Raum, des Robert-Koch-Instituts und des Max-Planck-Instituts für Mikrobiologie kommen zu Wort.
Sehenswert!

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