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Medizinstudium: Einführung eines PJ-Logbuchs

Herr PD Dr. Farzin Adili ist seit dem 01.07.2011 Lehrbeauftragter im Klinikum Darmstadt und koordiniert die Lehraktivitäten des Klinikums, z. B. das Chirurgische Blockpraktikum und das PJ.
Er ist damit Ansprechpartner für alle Studierenden des Darmstädter Klinikums.
Das Klinikum Darmstadt ist das einzige Haus der Maximalversorgung in Südhessen und ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Frankfurt/Main (Goethe-Universität) und Heidelberg-Mannheim (Ruprecht-Karls-Universität).

Interview mit Herrn PD Dr. Adili
„PULS.“: „Herr Dr. Adili, Sie haben in Ihrer Funktion als Mitglied der AG Lehre in der Chirurgie kürzlich die Einführung eines PJ-Logbuchs thematisiert und eines entwickelt. Was ist ein PJ-Logbuch und was soll es leisten?“
F. A. (legt ein kleines DIN-A-5-Heft auf den Tisch): „Hier haben wir schon ein Beispiel für ein gelungenes PJ Logbuch. Es stammt aus Heidelberg und ist sogar schon einmal redigiert worden: Es ist eine Dokumentation von Fertigkeiten und Kenntnissen, die PJ-Studierende während ihres letzten Studienjahres nachweisen müssen. Die Dokumentation enthält z. B. eine kurze Beschreibung des Krankheitsbildes des jeweiligen Patienten durch den PJ-Studierenden und dann die Beurteilung des Arztes, der die Untersuchung oder gezeigte Fertigkeit beaufsichtigt hat. Dabei werden unterschiedliche Kriterien vorgegeben, die einzeln nach einer vorgegebenen Skala benotet werden. Zusätzlich vermerkt der Ausbilder, welche Verbesserungen er dem Studierenden noch empfiehlt. Wenn das gesamte Logbuch vollständig ausgefüllt und testiert ist, erhält der PJ-ler seine PJ-Bescheinigung.”

„PULS.“: „Welche inhaltlichen und formalen Anforderungen muss das Logbuch erfüllen?“
F. A.: „Die PJ-Logbücher des Universitätsklinikums und der Lehrkrankenhäuser müssen natürlich kongruent sein. Gleichzeitig ist es sinnvoll, dabei zwischen der Chirurgie, der Inneren Medizin und dem Wahlfach zu differenzieren
Der hohe Wert der Logbücher für die Ausbildung sollte z.B. auch durch ihr Äußeres unterstrichen werden: Ein gebundenes PJ-Buch hat automatisch einen seriöseren Anstrich und dokumentiert eine größere Wertschätzung für den PJ-Studierenden und seine Tätigkeit als eine geheftete Zettel-Sammlung, auch wenn vielleicht der gleiche Inhalt darin enthalten ist.“

„PULS.“: „Woher stammt die Idee des PJ-Logbuchs?“
F. A.: „Das PJ-Logbuch ist keine so neue Idee, es ist ein Nachfolger des schon existierenden Testatheftes. Ich habe diese Idee während meines Aufbaustudiums zum Master of Medical Education (MME) kennengelernt. Eine unserer Dozenten, Frau PD Dr. Kadmon aus Heidelberg, hat es mir vorgestellt, in Heidelberg, aber auch an anderen Fakultäten, wird es in der Chirurgie teilweise schon seit Jahren genutzt.“

„PULS.“: „Sie haben PJ-ler aus Frankfurt und Mannheim-Heidelberg, also von zwei Fakultäten aus unterschiedlichen Bundesländern. Müssen Sie dadurch bei unterschiedlichen PJ-lern unterschiedliche Curricula berücksichtigen?“
F. A.: „Im Großen und Ganzen sind die gelehrten Inhalte natürlich kongruent, schließlich gilt die Ärztliche Approbationsordnung bundesweit, nur die jeweiligen Studienordnungen der Universitäten unterscheiden sich. Ein Unterschied besteht z. B. darin, dass es in Frankfurt PJ-Tertiale gibt – Chirurgie, Innere Medizin und das Wahlfach – und in Mannheim neuerdings PJ-Quartale: Chirurgie, Innere Medizin, das Wahlfach und die „Ambulante Medizin“. Die Ambulante Medizin im PJ zu lehren halte ich für eine sehr gute Idee, denn dort werden Krankheitsbilder thematisiert, die ein PJ-Studierender im Rahmen einer stationären Versorgung selten zu sehen bekommt, wie z. B. der banale grippale Infekt oder Kopfschmerz o. ä.
Daneben gibt es noch viele kleinere Unterschiede: Ich habe erst kürzlich, als ich erstmals in Mannheim im Staatsexamen prüfte erfahren, dass die praktische Durchführung einer Dopplerdruckmessung zur Erkennung und Beurteilung von peripheren Gefäßverschlüssen in Mannheim gar nicht systematisch unterrichtet wird. In Frankfurt gehört sie glücklicherweise ins Curriculum, denn es ist in unseren Augen eine sehr wichtige Untersuchung.“

„PULS.“: „Werden sich die PJ-Logbücher für die Frankfurter und Mannheimer-Heidelberger Studierenden unterscheiden?“
F. A.: „In der Form und Aufmachung bestimmt. Allerdings werden die Inhalte natürlich im Wesentlichen gleich sein. Das ist vergleichbar mit unterschiedlichen Lehrbüchern: Da sind auch im Großen und Ganzen die gleichen Inhalte enthalten, allerdings oft unterschiedlich aufgebaut, geschrieben und gestaltet.“

„PULS.“: „Wie viele PJ-ler haben Sie hier in Darmstadt jährlich?“
F. A.: „In den vergangenen Jahren hatten wir pro Jahr im Mittel 26 PJ-ler. Davon sind 21 aus Frankfurt, je 7 für die Innere Medizin, Chirurgie und das Wahlfach. Über 80% unserer Studierenden im PJ kommen von der Goethe-Universität.”

„PULS.“: „Was hat Sie dazu motiviert, sich so stark in der Lehre zu engagieren?“
F. A.: „Lehre hat mir schon immer Spaß gemacht. Ich habe während des Studiums als Rettungssanitäter gearbeitet und damals schon Erste-Hilfe-Kurse gegeben. Dadurch habe ich immer sehr viel gelernt: Um anderen etwas zu erklären, musste ich mich selbst besonders intensiv damit beschäftigen und habe diese Inhalte dann auch für mich nachhaltig gelernt. Außerdem glaube ich, dass ich ein Händchen für die Lehre habe: Ich bekomme von Studierenden viel positives Feedback. Und wenn jemand zu mir sagt „Das habe ich bei Ihnen gut verstanden!“ dann ist das automatisch eine starke Motivation, sich weiter stark in der Lehre zu engagieren.
Lernen fiel mir nie ganz leicht. Nicht selten musste ich mir im Studium manche Inhalte hart erarbeiten. Vielleicht habe ich dadurch mehr Verständnis, wenn manche Studierende Sachen nicht gleich verstehen.
Biomedizinische Grundlagenforschung interessiert mich auch, aber das lässt sich in so einem Krankenhausbetrieb nicht ganz einfach realisieren. Engagement in der Lehre klappt neben dem Krankenhausbetrieb gut und so kann ich etwas zurückgeben. Die nachhaltige Ausbildung von jungen Menschen gibt mir Befriedigung und zusätzliche Motivation. Gute Lehrforschungsprojekte sind übrigens auch sehr hoch publizierbar.
Wir legen großen Wert auf evidenzbasierte Medizin, also durch Studien abgesichertes Wissen. Die Lehre hingegen ist weitestgehend eminenzbasiert, d. h., es wird häufig nach der tradierten Überlieferung ausgebildet: „Der Chef hat das so gesagt.“ Die Professionalisierung der Lehre ist sehr wichtig, sie ist die Bedingung für eine standardisierte und nachhaltige Ausbildung auf hohem Niveau. Ich selbst hatte nie eine fundierte didaktische Grundausbildung bekommen und bin daher entschlossen mit Partnern an der Universität und in anderen Lehrkrankenhäusern, die Lehre bei uns noch weiter zu professionalisieren, wie es an vielen Fakultäten und in anderen Bundesländern schon üblich ist. Darum habe ich das MME-Aufbaustudium gemacht.“

„PULS.“: „Welche Vorbilder haben Sie für die Lehre?“
F. A.: „Ich halte es für sehr wichtig, dass man, wenn man lehrt, sich neben den fachlichen Inhalten auch mit Lerntheorien beschäftigt, erst dadurch wird Lehre professionell.
Ich bin stark beeinflusst worden durch zwei didaktische Denkansätze:
Der US-amerikanische Chirurg Halstead hatte in der ärztlichen Ausbildung die Maxime „See one, do one, teach one“- also die Abfolge von Beobachtung, Praxis und Demonstration. Er hat damit die Chirurgen-Ausbildung im renommierten Johns-Hopkins-Hospital revolutioniert und auf ein sehr hohes Niveau gebracht.
Zum Beispiel der „4-step-approach“ des britischen Chirurgen Rodney Peyton ist dann noch eine Weiterentwicklung davon: 1. Der Lehrer führt dem Schüler die zu erlernende Fertigkeit kommentarlos im Originaltempo vor. 2. Der Lehrer führt dem Schüler die Fertigkeit langsam vor und kommentiert dabei jeden Schritt. 3. Der Schüler sagt dem Lehrer Schritt für Schritt, was er tun soll, der Lehrer führt die Handlungen aus. 4. Der Schüler sagt, was er selbst tun möchte und führt die Handlung nach „Freigabe“ durch den Lehrer selbst durch. Ärzte müssen viele manuelle Fertigkeiten erlernen und perfektionieren, diese Form der praktischen und theoretischen Unterweisung kann dabei helfen.”

„PULS.“: „Was haben Sie sich für die Verbesserung der Lehre in der nächsten Zeit noch vorgenommen?“
F. A.: „Die weitere Ausarbeitung und Einführung des PJ-Logbuchs ist mir besonders wichtig. Außerdem möchte ich im Klinikum Darmstadt eine Lehrkommission aus allen Lehrbeauftragten der Darmstädter Kliniken gründen, um neben einem validen Bewertungssystem für Lehre im klinischen Alltag, zusätzlich eine bessere Abstimmung der Lehrinhalte in den verschiedenen Fächer zu erreichen. Außerdem werde ich mich dafür stark machen, dass es auch an akademischen Lehrkrankenhäusern Anreize (Incentives) für gute Lehre gibt, wie wir es an der Universität in Form der LOMs oder Lehrpreise schon umgesetzt haben Nicht zuletzt ist die Entwicklung eines kompetenzbasierten Lernzielkataloges der einzelnen Fächer in enger Abstimmung mit den Universitätsklinika und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften ein großes Anliegen.“

Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.
„PULS.“ bedankt sich bei Herrn PD Dr. Adili für das engagierte Interview.

Bettina Wurche

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