Die Novelle der AO ist geplant und überfällig: Das Medizinstudium würde, zumindest in einigen wichtigen Punkten, reformiert. Der Kulturausschuss des Bundesrates hatte wegen Änderungswünschen die Novelle der Approbationsordnung zunächst vertagt und das Inkrafttreten der neuen Regelung damit verzögert.
„PULS.“ hatte bereits am 01.02.2012 über die Auseinandersetzungen um die AO-Novelle berichtet („Hochschulpolitik: Neue Approbationsordnung nicht vor 2013?“
Jetzt kommt erneut Bewegung in die Diskussion: Angeblich soll das Landesgesundheitsministerium NRW am kommenden Mittwoch einen Änderungsantrag zur AO in den Gesundheitsausschuss des Bundesrates einbringen. Dabei ist die wichtigste Forderung die Abschaffung des bisherigen Wahltertials im PJ zugunsten eines verplichtenden PJ-Tertial in der Allgemeinmedizin.
Die Studierendenvertreter des Hartmannbundes, des Marburger Bundes und der Bundesvertretung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden lehnen die Abschaffung des Wahltertials im Praktischen Jahr (PJ) zugunsten eines allgemeinmedizinischen Pflichtabschnitts von vier Monaten in einer hausärztlichen Praxis in einer gemeinsamen Stellungnahme einhellig ab.
„Während die Studierenden eine qualitative Stärkung der Primärversorgung bzw. Allgemeinmedizin bereits im Studium ausdrücklich begrüßen, warnen sie vor einem weiteren Zwangstertial für alle Studierenden. Das ersatzlose Streichen des Wahlabschnittes würde den Charakter des PJ fundamental verändern und den Ärztemangel in vielen Fachdisziplinen weiter verschärfen.
Insbesondere appellieren die Studierenden eindringlich an die Bundesländer, die Novelle der Ärztlichen Approbationsordnung nicht weiter zu verzögern.“
Weiterhin stellen sie in einer gemeinsamen Erklärung fest:
„1) Eine einseitige Fokussierung auf einen Nachwuchsmangel in der Allgemeinmedizin verschärft die mindestens genauso dringlichen Probleme in anderen Fachdisziplinen. Das Wahltertial ist für Medizinstudierende maßgeblich bei ihrer Suche nach dem richtigen Weiterbildungsfach und der richtigen Weiterbildungsstelle. Gleichzeitig bietet es fast allen ärztlichen Disziplinen die unverzichtbare Möglichkeit, Studierende von ihrem Fach zu überzeugen. Dies lässt sich keinesfalls durch Famulaturen oder die kurze Berührung mit einem Fach im Rahmen des Studiums kompensieren. Somit würde eine Abschaffung des orientierenden Wahltertials die Nachwuchsrekrutierung so gut wie aller anderen Fachdisziplinen untergraben.
2) Eine rein quantitative Stärkung eines Faches korreliert nicht zwangsläufig mit der Wahl des Fachgebietes oder gar einer späteren Niederlassung, vor allem positive Arbeitsbedingungen, ein gutes Arbeitsklima und insbesondere eine strukturierte Ausbildung können überzeugen. So würde es dem Ziel einer Attraktivitätssteigerung der Allgemeinmedizin stark entgegenwirken, kompromisslos jedes Jahr fast 10.000 Studierende ohne gesicherte Lehrqualität „durchzuschleusen“.
3) Die Einführung eines verpflichtenden PJ-Abschnitts in einer Hausarztpraxis ist selbst mit einer mehrjährigen Übergangsfrist nur unter Einsatz enormer finanzieller und logistischer
Ressourcen zu bewerkstelligen und würde zwangsläufig dem Anspruch einer qualitativ hochwertigen Ausbildung junger Mediziner zugegen laufen. Eine gute, überzeugende Ausbildung im Fach Allgemeinmedizin im PJ kann nur in Lehrpraxen erfolgen, deren Inhaber eine intrinsische Motivation mitbringen und deren Lehrqualität gesichert ist.
4) Grundsätzlich ist eine Ausrichtung des Studiums auf Partikularinteressen kritisch zu hinterfragen und immer ausreichend zu rechtfertigen. Neben der Tatsache, dass sich die Allgemeinmedizin mit dem Pflichttertial aus den genannten Gründen keinen Gefallen erweisen würde, ist vor allem die Verhältnismäßigkeit eines solch massiven Eingriffes in die Studienfreiheit in Frage zu stellen.“
(Gemeinsame Stellungnahme von Studierenden des Marburger Bundes, Hartmannbundes und der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd): „Medizinstudierende warnen vor Abschaffung des Wahltertials im PJ“)
Bettina Wurche