Studieren wird immer internationaler.
Auslandsaufenthalte in europäischen oder außereuropäischen Ländern sind mittlerweile für viele Studierende eine Selbstverständlichkeit.
Auch im Medizin-Studium ist diese Internationalisierung zu beobachten.Viele Studierende aus anderen Ländern studieren in Deutschland, manche legen nur ein Praktikum ab, andere bleiben für mehrere Semester oder das ganze Studium hier. Deutsche Medizinstudenten gehen vor allem während der Famulatur oder des Praktischen Jahres ins Ausland.
Herr Barta ist am FB 16 zuständig für den Studierendenaustausch im Bereich Medizin (die Zahnmediziner werden von Frau Krymchanska betreut).
Wer an einer ausländischen Universität studiert und einen Zwischenstopp in Frankfurt einlegen möchte oder wer im Rahmen des Medizin-Studiums in Frankfurt einen Abstecher ins Ausland einlegen möchte, bekommt bei Herrn Barta die nötige Beratung und administrative Unterstützung.
„PULS.“-Interview mit Herrn Barta
„PULS.“: „Wie viele angehende Mediziner gehen während ihres Studiums ins Ausland?“
Hr. Barta: „Im ERASMUS-Programm sind es jährlich 15 – 20 Teilnehmer die ein Semester oder ein ganzes akademisches Jahr im Ausland verbringen. Der weitaus größte Teil der Studierenden nutzt aber die Famulatur oder ein Teil des Praktischen Jahres für ein klinisches Praktikum im Ausland. Insgesamt stellen über 50 % der Studierenden einen Antrag auf einen Auslandsaufenthalt. Bei den klinischen Praktika weiß ich allerdings nicht, wie viele davon dann auch tatsächlich den Aufenthalt antreten. Wir führen dazu keine Statistik.“
„PULS.“: „Welche Möglichkeiten gibt es generell, als Medizinstudentin oder –student eine Zeit lang im Ausland zu studieren?”
Hr. Barta: „Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen dem ERASMUS-Programm, das einen Austausch innerhalb Europas anbietet und der Möglichkeit, die Famulatur oder das PJ weltweit zu absolvieren.
Die Studierenden der ERASMUS-Programme betreue ich, sowohl die deutschen, die ins Ausland wollen, als auch die ausländischen, die hier sind. Die Betreuung der ERASMUS-Programms-Teilnehmer ist sehr zeitintensiv, da geht es z. B. um individuell zugeschnittene Problemlösungen etwa in der Praktikums- oder Prüfungsbetreuung.“
„PULS.“: Was ist „ERASMUS“?
Hr. Barta: „ERASMUS ist das EU-Austausch-Programm für Studierende. ERASMUS-Teilnehmer werden von uns intensiv beraten und betreut. Zurzeit ist für unsere Medizinstudierenden nur mit diesem Programm ein Auslandsaufenthalt als immatrikulierte Gaststudierende möglich, bei dem prinzipiell alle Lehrveranstaltungen der Gastfakultät besucht werden können. Das Programm offeriert also ein reguläres Medizinstudium im Ausland und nicht lediglich klinische Praktika. Allerdings ist es auf die Länder der EU und assoziierte Staaten beschränkt. Es wird für jedes akademische Jahr ein bestimmtes Kontingent an Plätzen angeboten.
Besonders wichtig ist die Bewerbungsfrist! Am 1. Februar läuft jedes Jahr die Bewerbungsfrist für ERASMUS-Auslandsaufenthalte ab. Bewerbungen, die danach eingehen, werden zwar noch für Restplätze berücksichtigt, nehmen aber nicht mehr am Auswahlverfahren teil, wenn sich für eine Universität mehr Studierende bewerben, als Plätze zu vergeben sind.“
„PULS.“: „Welche Quellen gibt es für PJ- und Famulaturplätze im Ausland? Welche Länder sind bei Studierenden besonders begehrt?“
Hr. Barta: „Dazu gibt es umfassende Informationen im Internet. Außerdem werden viele Tipps unter Studierenden mündlich weitergegeben. Hier im Auslandsbüro des Fachbereichs stehen Auslands-Infoordner zur Verfügung, die auch außerhalb der Sprechstunde eingesehen werden können. Zurzeit ist Südafrika besonders begehrt. Die Goethe-Universität hat eine Kooperation mit der Universität in Stellenbosch laufen, dort werden unsere Studierenden bevorzugt angenommen. Auch wenn in letzter Zeit vermehrt Praktika in Asien oder Südamerika angestrebt werden, sind nach wie vor die angelsächsischen Länder beliebt.“
„PULS.“: „Gibt es Rückmeldungen wie z. B. Berichte von Studierenden, die im Ausland waren?“
Hr. Barta: „Bei Stipendiaten des ERASMUS-Programms besteht eine Verpflichtung zum Schreiben eines Berichtes, die liegen hier vor. Von PJ-lern und Famulanten bekomme ich nur sehr selten einen Bericht, da sie dazu nicht verpflichtet sind. Allerdings erwarte ich von Studierenden, die von mir ein Empfehlungsschreiben für das Ausland haben möchten und bereits ein Auslandspraktikum absolviert haben, einen Bericht. Die Qualität unserer Infoordner lässt sich nur verbessern, wenn wir gut geschriebene und aktuelle Berichte unserer Outgoings erhalten.”
„PULS.“: „Was empfehlen Sie Studierenden, die sich für einen Auslandsaufenthalt im Rahmen Ihres Medizinstudiums interessieren, grundsätzlich als Vorbereitung?“
Hr. Barta: „Sie sollten sich vorab über Land und Leute informieren, damit Sie wissen, in was für einen Kulturkreis Sie sich hineinbegeben. Ein eurozentrisches Weltbild kommt im Rest der Welt oft sehr schlecht an. In vielen anderen Ländern darf man z. B. nicht so direkt sein, wie in Deutschland, weil das als sehr unhöflich gilt. Es ist wichtig, sich erst einmal zurückzunehmen und zu beobachten. Dann findet man heraus, welche Haltung im jeweiligen Land erwartet wird.“
„PULS.“: „Führen Sie eine individuelle Beratung durch, die sich an den spezifischen Bedürfnissen des jeweiligen Studierenden und dem Zielland orientiert? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Studentin mit anderen Situationen konfrontiert wird als ein Student oder dass es sich in Kolumbien ganz anders studiert als in Indien.”
Hr. Barta: „Das ist bei den vielen weltweiten Zielen gar nicht leistbar, da niemand ein Spezialist für alle Länder sein kann. Meine eigenen Auslandserfahrungen lasse ich in Beratungsgesprächen schon mit einfließen, aber letztlich müssen es die Studierenden selbst herausfinden, wie sie sich zu verhalten haben. Die eigene Erfahrung erweitert schließlich die Horizonte. Nur in Extremfällen, etwa, wenn jemand Famulatur oder PJ in Johannesburg absolvieren will, mache ich auf die potentielle Gefährdung aufmerksam. Bei Ländern, wie eben Südafrika, die eine hohe HIV-Prävalenz haben, empfehle ich auch eine zusätzliche Beratung in unserem HIVCenter.“
„PULS.“: Gibt es bei Ihnen eine Informationssammlung über medizinspezifische Informationen? Z. B. über die Gesundheitssysteme anderer Länder?“
Hr. Barta: „Für einige Länder haben wir Informationen zum Gesundheitssystem in den Infoordnern. Nach meiner Erfahrung interessieren sich Studierende für solche Informationen eher wenig. Bei Bedarf holen sich Studierende aktuelles Material dazu ohnehin im Internet.“
„PULS.“: „Das Bundesland Hessen hat ein Partner-„Bundesland“ in den USA: Wisconsin. Darum gibt es ein umfangreiches Austausch-Programm mit Wisconsin auch auf Universitätsniveau. Wie steht es mit dem Austausch von Medizin-Studierenden?“
Hr. Barta: „Das US-amerikanische Schul- und Studiensystem unterscheidet sich von dem deutschen sehr stark. Wer Medizin studieren will, beginnt nach der High School an einem Medical College mit Kursen, deren Inhalte bei uns teilweise in der gymnasialen Oberstufe und teilweise im vorklinischen Studienabschnitt abgedeckt werden. Danach geht es für 4 Jahre auf eine Medical School. Dort werden dann Lehrveranstaltungen angeboten, die unserem klinischen Studienabschnitt entsprechen. Über die Länderpartnerschaft besteht von der Goethe-Universität z.B. ein reger Kontakt zur University of Wisconsin in La Crosse, die bieten in ihrem College of Science and Health ein ‚Pre-Medicine Program’ an.
Auslandsaufenthalte sind, mit Ausnahme des Auslandspflegepraktikums, für unsere Studierenden jedoch erst nach Abschluss des Grundstudiums, also im klinischen Abschnitt möglich. An der University of Wisconsin in Madison gibt es eine School of Medicine, die aber nicht in die Partnerschaft mit eingeschlossen ist.
Deshalb können deutsche Medizinstudierende dort zwar Randgebiete wie ‚Biomedical Science’, ‚Biochemistry’ oder ‚Cellular and Molecular Biology’, nicht aber Medizin an sich studieren. Da diese Studienleistungen vom Landesprüfungsamt für das Medizinstudium nicht anerkannt werden, ist das für die meisten Studenten nicht attraktiv.
Warum es noch keine Partnerschaft mit einer Medical School gibt, darüber ließe sich spekulieren: Ein Medizinstudium ist extrem teuer. Austauschangebote aus den USA würden mit Sicherheit in vollem Umfang von unseren Studenten genutzt werden. Umgekehrt kämen nur wenige Studenten aus den USA zu uns, weil nur sehr wenige Deutsch sprechen. Eine Einbahnstraße, zu der man bereit sein müsste.Das gleiche gilt auch für den Austausch mit Massachusetts/USA oder Queensland/Australien.“
„PULS.“: „Ein Aufenthalt im englischsprachigen Ausland ist aufgrund der Bedeutung von Englisch als internationaler Wissenschaftssprache für viele Studierende besonders attraktiv. Die USA und Australien kommen dafür nur sehr eingeschränkt in Frage. Wie sieht es denn mit dem Austausch nach England aus?“
Hr. Barta: „Wir haben Kontakte zu einem Medical College in London. Dort gibt es aber eher Angebote für Postgraduierte, also z. B. für eine Doktorarbeit nach dem Studium.
Die englischen Hochschulen scheinen am ERASMUS-Programm nicht sehr interessiert zu sein. Das könnte daran liegen, dass sie bei ERASMUS-Teilnehmern auf die Studiengebühren verzichten müssten und genügend zahlende Kandidaten haben.“
„PULS.“ dankt Herrn Barta für das Interview.
Bettina Wurche