Die Lepra war in Europa eine gefürchtete Seuche – „Aussätzige“ wurden aus den Städten und Gemeinden verstoßen und waren zum langsamen Dahinsiechen verurteilt.
In der Süddeutsche.de ist ein sehr lesenswerter Beitrag von Katrin Blawat über die Lepra in Europa in Frankfurt am Main und aktuelle Forschungsergebnisse zur Evolution und Ausbreitung des gefürchteten Lepra-Bakteriums erschienen: „Die verschwundene Seuche“.
Im Mittelalter war die Lepra in Europa weit verbreitet. Mitte des 16. Jahrhunderts verschwand die Krankheit dann weitgehend von unserem Kontinent.
Warum, ist bis heute nicht genau geklärt.
Möglicherweise fielen die Leprösen aufgrund ihres geschwächten Zustandes als erste der Pest zum Opfer?
Heute ist die Lepra in Europa nur noch sehr gering verbreitet, i. d. R. wird die Infektion aus z. B. Asien eingeschleppt.
Der Erreger der Lepra ist seit 1873 bekannt: Der das Norweger Gerhard Armauer Hansen hatte das Bakterium Mycobakterium leprae identifiziert.
Vorher war die Ursache des „Aussatzes“ noch unbekannt, so dass auch viele andere Hautausschläge und –erkrankungen unter den Begriff fielen. Darum ist die Auswertung schriftlicher Quellen zur Verbreitung der Krankheit nicht sehr zuverlässig.
Woher kommt die Lepra?
Der Beitrag „Lepra – Herausforderung an Wissenschaft und Menschlichkeit“ aus dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts sagt, dass der Weg der Lepraerregung noch vollständig bekannt sei und weist noch einmal auf den Symbolcharakter der Krankheit hin: „Trotzdem kennen wir weder das Reservoir außerhalb des Menschen noch den genauen Transmissionsmechanismus und haben nicht verstanden, warum jemand erkrankt oder nicht erkrankt. […].Die Lepra ist mehr als eine Krankheit – sie bleibt ein Symbol, das weiterhin unsere Intelligenz, aber auch unsere Menschlichkeit herausfordern wird.“ (Epidemiologisches Bulletin, 24. Januar 2011 / Nr. 3; Lepra – Herausforderung an Wissenschaft und Menschlichkeit)
Mikrobiologischer Untersuchungen haben jetzt ermöglicht, den Weg des gefürchteten Bakteriums rekonstruieren.
Die Arbeitsgruppe um die Paläogenetikerin Verena Schünemann von der Universität Tübingen hat die Genome mehrerer mittelalterlicher Stämme des Lepra-Erregers zu entschlüsselt (Science, online). Die sehr gut erhaltenen DNA-Proben stammen aus fünf Skeletten aus Dänemark, Schweden und England, an denen die typischen leprösen Knochenveränderungen zu erkennen waren.
Diese alten M. leprae-Sequenzen wurden mit elf modernen Bakterienstämmen mit verschiedenen Genotypen und aus unterschiedlicher geographischer Herkunft verglichen. Der Vergleich erbrachte eine bemerkenswerte Erhaltung der Bakterien-Genome über die letzten 1000 Jahre. Der M. leprae-Erreger aus dem mittelalterlichen Europa stimmte weitgehend mit dem heutigen aus dem Mittleren Osten überein.
Die hervorragende Erhaltung von M. leprae-Biomarkern, DNA und Mykolsäuren in den antiken Skeletten lassen wichtige Rückschlüsse auf die Paläomikrobiologie und die Evolution menschlicher Krankheitserreger zu.
(Anmerkung der Redaktion: Der Begriff „Paläo-Mikrobiologie“ in der Science-Publikation ist nicht ganz korrekt. Die Vorsilbe „Paläo“ bezeichnet „vorzeitliche“ Organismen, also Fossilien. Korrekt wäre Archäo-Mikrobiologie, denn die Vorsilbe „Archäo“ bezeichnet biologische Strukturen aus geschichtlicher Zeit.)
Die Lepra in Frankfurt
Die Lepra war, wie in ganz Europa, auch in Frankfurt weit verbreitet.
Im Mittelalter kannte man die Ursache dieser Krankheit nicht, daher gab es auch keine Heilmittel. Der einzige „Schutz“ gegen die Seuche war die Isolierung der Erkrankten. Lepra- (oder auch Pest-)kranke mussten ein lärmendes Instrument bei sich tragen und es benutzen. Durch eine Klapper, Rassel oder Glocke wurden andere Menschen gewarnt und konnten Abstand halten.
Der Straßenname „Klappergasse“ in Frankfurt-Sachsenhausen erinnert noch an diesen Brauch. Auch der Stadtteil „Gutleutviertel“ erinnert an diese Zeit: Der Gutleuthof war ein im 13. Jahrhundert entstandenes Lepra-Spital und der ehemals größte landwirtschaftliche Wehrhof vor den Toren der Stadt.
Bettina Wurche