Die sogenannte Gleitklausel wird oft und gern zitiert.
Was sagt sie eigentlich genau aus?
Und wann kommt sie zur Anwendung?
Grundsätzlich ist die „Gleitklausel“ eine relative Bestehensgrenze, die bei Multiple-Choice-(MC)-Prüfungen angewendet wird.
Rechtliche Grundlagen der „Gleitklausel“
Die Gleitklausel wurde aus der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) abgeleitet:„Die schriftliche Prüfung ist bestanden, wenn der Prüfling mindestens 60 vom Hundert der gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat oder wenn die Zahl der vom Prüfling zutreffend beantworteten Fragen um nicht mehr als 22 vom Hundert die durchschnittlichen Prüfungsleistungen der Prüflinge unterschreitet, die nach der Mindeststudienzeit von zwei Jahren beim Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und sechs Jahren beim Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erstmals an der Prüfung teilgenommen haben.“ (ÄAppO, § 14 Abs. 6; Fassung von 2003).
Das Bundesverfassungsgericht hatte nach dem „Katastrophen-Physikum“ von 1989 statt der bis dahin geltenden absoluten Bestehensgrenze eine „relative“ Bestehensgrenze beschlossen: Die Prüflinge sollten künftig in Relation zu den anderen Prüflingen beurteilt werden. Der Beschluss galt zunächst nur für das IMPP, mittlerweile wird er von den meisten Medizinischen Fachbereichen für alle MC-Prüfungen angewendet.
Unser Fachbereich hat diese Regelung in die Scheinvergabekriterien aufgenommen.
Was bedeutet die Gleitklausel konkret?
Die Bestehensgrenze bei MC-Klausuren liegt grundsätzlich immer noch bei 60 %.
Wer 60% aller Antworten richtig angekreuzt hat, hat die Klausur bestanden.
Zusätzlich gibt es die relative Bestehensgrenze: Die relative Bestehensgrenze wird aus dem Mittelwert der jeweiligen Referenzgruppe abzüglich 22% berechnet.
Geltungseinschränkung
Die Gleitklausel gilt nur bei der Erstklausur, nicht aber für Wiederholungsklausuren.
Für die Errechnung des arithmetischen Mittels der erreichten Punktzahl werden ausschließlich die Klausuren von Studierenden der Referenzgruppe herangezogen, das sind Ersteilnehmer nach Minimalstudiendauer bis zum Klausurtermin.
Bei Wiederholungsklausuren, bei denen keine Referenzgruppe existieren kann, werden Fragen benutzt, die bereits vorher erfolgreich eingesetzt worden waren. Diese können aus Altklausuren des eigenen Fachbereichs oder anderen Fachbereichen im Geltungsbereich der ÄApprO entnommen werden. Die getesteten Fragen für die Wiederholungsklausur werden so ausgewählt, dass sie eine durchschnittliche Bestehenswahrscheinlichkeit von 60 % haben.
Berechnungsbeispiele zur Anwendung der “Gleitklausel”:
Die absolute Bestehensgrenze liegt bei 60%.
Die relative Bestehensgrenze erlaubt die Abweichung bis 22% vom arithmetischen Mittel.
Beispiel 1:
Das arithmetische Mittel liegt bei 78%. Die durchschnittlich erreichte Punktzahl einer Klausur beträgt also 78 % der maximal erreichbaren Punktzahl.
22% von diesem Mittelwert (78%) sind 17%.
78% abzüglich 17% sind 61%.
Das heißt, die Gleitklausel greift nicht, es bleibt bei der Bestehensgrenze
von 60%!
Beispiel 2:
Das arithmetische Mittel einer Klausur liegt bei 68%. Die durchschnittlich erreichte Punktzahl einer Klausur beträgt also 68% der maximal erreichbaren Punktzahl.
22% von diesem Mittelwert (68%) sind 15%.
68% abzüglich 15% sind 53%
Das heißt, die Gleitklausel findet Anwendung und die “neue”
Bestehensgrenze ist bei 53%!
(Rechenbeispiele mit freundlicher Genehmigung des ASTA der Medizinischen Hochschule Hannover)
Bettina Wurche