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Kommentar: Über das gute wissenschaftliche Arbeiten

Der Verteidigungsminister a. D. Karl-Theodor zu Guttenberg („Gutti“) geistert wieder durch die deutsche Presselandschaft…
„Guttis“ Verhalten hat die akademische Gesellschaft bis ins intellektuelle Mark getroffen.
Letzte Woche saß einer unserer Deutschland-Stipendiaten bei mir im Interview. Aber nur bis 16:00 Uhr, denn: „Dann muss ich ins Promotionskolleg, das ist wirklich klasse. Heute geht es um gutes wissenschaftliches Arbeiten. Das möchte ich keinesfalls verpassen.“, stellte er schon vorab klar.
Diesem jungen Mann, der noch nicht einmal sein Studium abgeschlossen hat, ist klar: „Gutes wissenschaftliches Arbeiten“ ist wichtig, damit muss sich ein angehender Akademiker auseinandersetzen und die Spielregeln kennen.

„Gutes wissenschaftliches Arbeiten“ – was ist das?
Höchste Priorität in der wissenschaftlichen Arbeit haben Ehrlichkeit und Wahrheit, kurz die wissenschaftliche Redlichkeit. Sehr wichtig ist aber auch die permanente selbstkritische Einstellung gegenüber gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnissen und die Offenheit für kritische Bewertung aus dem Forschungsumfeld und durch andere Prüfende.“ meint die Universität Oldenburg zu diesem Thema.
Redlichkeit? Selbstkritik? Offenheit für Kritik?
Ganz schön hohe Anforderungen…
Jede deutsche Hochschule weist ihre Studierenden und Promovierenden nachdrücklich auf diese Anforderungen hin. Zum guten wissenschaftlichen Arbeiten gehört an erster Stelle, keine fremden Gedanken als eigene Ideen auszugeben (=geistiger Diebstahl). Das versteht sich eigentlich von selbst. Schließlich muss man es sogar noch extra unterschreiben.
Durch die Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg, Silvana Koch-Mehrin und einen kleinen erlesenen Personenkreis tobt die Diskussion um wissenschaftliches Fehlverhalten tobt durch die Republik und wird in den Medien genussvoll inszeniert.

“Dr.” – das akademische Feigenblättchen
In gewissen Personenkreisen, die eine politische Karrieren anstreben, gilt es als chic, sich zusätzlich zu den anderen reichhaltigen Qualifikationen (Hochschulabschluss, gute Erziehung, edle Herkunft, teure Klamotten, rhetorische Fähigkeiten [=große Klappe])) auch noch mit einem Doktortitel zu schmücken. Das gibt dann so eine angenehm akademische Attitüde.
Jetzt fallen die Doktortitel aus den Bewerbungsmappen wie Herbstlaub von den Bäumen, vor allem bei Juristen und Wirtschafswissenschaftlern scheint zuweilen eher die Optimierung des Kosten-Nutzen-Prinzips als die Praxis des guten wissenschaftlichen Arbeitens das Leitmotiv gewesen zu sein.
Darauf reagieren Leute, die sich ihre akademischen Ehren hart erarbeitet haben, höchst verärgert. Wissenschaftliches Arbeiten ist nämlich ganz schön anstrengend, und reich wird man dadurch meistens auch nicht.
Es wird allerdings auch niemand zum wissenschaftlichen Arbeiten und Promovieren gezwungen. Wer nicht möchte oder kann, muss nicht. Darum drängt sich die Frage auf, warum gewisse Personenkreise unbedingt wissenschaftliche Expertise, Eignung und Leistung vorgeben möchten, auch wenn sie damit offenbar überfordert sind.

Eine Reihe von Politikerinnen und Politikern versuchen zurzeit krampfhaft, ihr pseudo-akademisches Feigenblättchen festzuhalten.
Wozu?
Ein Politiker ohne akademischen Titel ist nicht schlimm.
Der Job fordert das nicht zwangsweise.
Es ist auch nicht schlimm, einen Fehler zu machen.
Aber man sollte Rückgrat genug haben, um einen Fehler einzugestehen.
Ein Mensch, der vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist, und dann auch noch versucht, andere Menschen für seine Fehler verantwortlich zu machen, ist einfach nur peinlich.
Und in einem politischen Amt nicht tragbar.

Das trotzige Ringen um verlorene Doktortitel, das Beleidigtsein über die Abstrafung, die haltlosen Anschuldigungen gegenüber universitären Gremien zeigen eine erschreckende moralische Unreife.
Pfui.

Bettina Wurche

PS:
„Gutti“ steht stellvertretend für andere seiner „Berufs“kollegen und –kolleginnen (PolitikerInnen, deren Doktortitel aufgrund von Plagiatsnachweis von den Universitäten kassiert wurden). Er gibt allerdings auch die mit Abstand besten Steilvorlagen für Glossen und Fanfilme, wie dieses Video aus dem Raum der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zeigt (wahre „Gutti“-Fans sollten es vielleicht lieber überspringen): “Gutti – Schicksalsjahre eines Kaisers” (EXTRA 3 – NDR

 

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