Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen ist Direktor der Klinik für Gefäß- und Endovascularchirurgie und gleichzeitig Chefarzt der Gefäßchirurgie im Hospital zum Heiligen Geist GmbH.
puls.: „Herr Prof. Dr. Schmitz-Rixen, an welchen Lehrveranstaltungen sind Sie zurzeit beteiligt?“
TSR: „Gefäßchirurgie ist ein chirurgisches Fach wie die Allgemeinchirurgie, die Unfallchirurgie, die Herzchirurgie und andere und an den entsprechenden curricularen Lehrveranstaltungen beteiligt. Dazu gehören natürlich die Vorlesungen, Praktika und die praktischen Übungen wie TPF (Training praktischer Fertigkeiten).
Über die curriculare Lehre hinaus gibt es dann noch mehrere zusätzliche Projekte.
Sehr erfolgreich ist immer wieder die Online-Übertragung aus dem OP-Saal in die Hörsäle der vorklinischischen Veranstaltungen insbesondere der Anatomie mit Live-Kommentaren der Lehrenden und Operateure.
So eine Life-Übertragung aus dem OP ist natürlich nicht ganz easy, dafür sind viele Vorbereitungen nötig. Außerdem muss vorab noch eine Einverständniserklärung der Ethik-Kommission eingeholt werden. Aber wir sind gerade dabei, diese Veranstaltung wieder zu planen.“
Außerdem ist da noch die Ultraschall-Simulation:
Die grundlegenden Veränderungen im Gesundheitssystem haben zur Folge, dass Patienten in den Krankenhäusern eine kürzere Verweildauer haben. Die Vorbereitungen auf OPs werden ambulant durchgeführt. Dadurch haben wir mittlerweile ein Problem beim klinischen Unterricht, weil uns genügend Patienten mit anschaulichen Krankheitsbildern fehlen.
Darum müssen wir uns auch in der Lehre an diese neue Situation anpassen und arbeiten nun zunehmend mit extrem realistischen Simulationen.
Für die Erstellung einer Simulation untersuchen wir einen echten Patienten und speichern die Grauwerte der Ultraschalluntersuchung in einer dreidimensionalen Bilddatei. Diese Bilddatei wird auf einen virtuellen Patienten (Simulator=) übertragen. Die Bilder werden mit ihrer genauen Lage abgespeichert, um später im virtuellen Körper exakt an der richtigen Stelle zu liegen.
Dann untersucht ein Student den virtuellen Patienten mit einem Ultraschall-ähnlichen Gerät: Es hat die gleiche Form und muss genauso gehandhabt werden wie ein echter Schallkopf. Damit muss er die abgespeicherten Informationen wieder aus der Puppe hervorholen/abrufen. Wir können damit beliebig viele echte Krankheitsbilder abspeichern und zu jedem beliebigen Zeitraum zur Verfügung stellen.
puls.: „Sie sind für die Gefäßchirurgie in zwei Krankenhäusern verantwortlich: Das Universitätsklinikum und das Hospital zum Heiligen Geist.Was erwartet auf Ihren Stationen einen PJ-ler?“
TSR: „PJ-ler arbeiten bei uns real auf den Stationen mit.
Zweimal wöchentlich haben wir die Chef-Visite, die als Lehrvisite dient.
Das heißt, dass bei einer Visite zwar alle dabei sind, aber die PJ-ler die Fälle vortragen. Die Operateure ergänzen dann noch. Die Studierenden sind engagiert dabei und bereiten sich meistens einen Tag vorher intensiv darauf vor.
Zusätzlich biete ich noch täglich „Meet the Professor“ an. Das bedeutet, dass – wenn ich hier bin – meine Tür den Studierenden offen steht. Sie können dann hereinkommen und mit mir für 10 Minuten über ein spezifisches Problem sprechen.“
puls.: „Das hört sich nach einer intensiven Einzelbetreuung an, bei der man bestimmt viel lernen kann. Nehmen die Studierenden das Angebot an?“
TSR: „Es könnte noch besser angenommen werden.“
puls.: „Zurzeit gibt es eine heftige Diskussion darüber, wie viel Verantwortung PJ-ler übernehmen dürfen oder sollen. Wie viel Verantwortung tragen Ihre PJ-ler?“
TSR: „Nach der neuen ÄApprO erwerben die Studierenden Kompetenzen; dies ist in insgesamt 4 Level gestaffelt. Im höchsten Level soll der Studierende Tätigkeiten routinemäßig nach einer initialen Anleitung selbstständig durchführen. Wir setzen dies schon seit einiger Zeit um und haben damit positive Erfahrungen gemacht. In Zukunft werden die erarbeiteten Kompetenzen dann auch im PJ-Logbuch festgehalten. Die Studierenden arbeiten natürlich immer unter Aufsicht, auf unseren Stationen und Ambulanzen ist immer ein Arzt anwesend. Im OP ergibt sich dies selbstredend.
Welche Kompetenzen erwartet werden und welche bereits erworben sind, steht also im PJ-Logbuch. Das sollte jeder Studierende vorab nachlesen und sich dann auch bemühen, sich die entsprechenden Fertigkeiten und Fähigkeiten anzueignen.
Studierende und Lehrende müssen sich über ihre Verantwortung im Klaren sein.
Eine OP-Situation kann z.B. für unerfahrene Studierende manchmal eine starke Belastung darstellen. Lehrende müssen natürlich die Belastbarkeit von Studierenden in jüngeren Semestern einschätzen können.
U.a. deshalb machen wir vor dem Beginn einer OP ein Team-Time-Out. Das bedeutet, dass vor einer OP eine Checkliste abgearbeitet wird. Dabei wird innerhalb weniger Minuten vorgestellt, wer in welcher Funktion dabei ist und die Patientendaten werden mit der geplanten OP abgeglichen. Dies dient in erster Linie der Patientensicherheit. Ein Studierender muss dann an dieser Stelle auch kundtun, dass er oder sie noch nie an einer OP teilgenommen hat oder sich unwohl fühlt. Damit bietet das Team-Time-Out die Gelegenheit, dem Studierenden noch gewisse Verhaltensmaßregeln zu geben. Z. B., das richtige Verhalten, wenn ihm oder ihr schlecht werden sollte. In der Vergangenheit hat es einige unglückliche Fälle gegeben, die wir in Zukunft vermeiden müssen.“
puls.: „Was empfehlen Sie einem Studierenden für ein erfolgreiches PJ?“
TSR: „Er soll mit den Augen stehlen.
PJ-ler müssen körperlich und geistig auf der Station und in allen Abläufen präsent sein und sich mit dezidierten Aufgaben in das Team einfügen. Das ist sehr wichtig. Indem sie vor allen Dingen Abläufe und nicht nur einzelne Krankheitsbilder beobachten und hinterfragen, lernen sie am meisten über die Tätigkeiten des Stationsalltags.“
puls.: „Was halten Sie von Studientag und PJ-
Aufwandsentschädigung?“
TSR: „Der Studientag ist in der Vergangenheit für das Lernen für das Hammerexamen und sicherlich auch zum Geld verdienen genutzt worden.
Die Lehrkrankenhäuser und das Universitätsklinikum in Frankfurt müssen in Zukunft eine Aufwandsentschädigung bezahlen. Sonst wird es einen erheblichen Wettbewerbsnachteil geben. Die Studierenden werden sich sicherlich eher PJ-Stellen suchen, wo sie bezahlt werden. Aber wir brauchen die Studierenden! Eine Universität ohne Studierende hat keine Daseinsberechtigung!
Auch die Krankenhausleitung, die das Geld ja aufbringen muss, wird das einsehen.
Abwesenheit von der Station durch die Studientage war unter den Umständen verständlich, aber kontraproduktiv, weil die Studierenden durch die häufige Abwesenheit schwieriger in das Stationsteam integriert werden konnten. Das Hammerexamen fällt durch die neue ÄApprO ohnehin weg. Ohne das Hammerexamen und mit der PJ-Vergütung macht der Studientag keinen Sinn mehr.“
puls.: „Welche Möglichkeiten haben PJ-ler hier im Universitätsklinikum zum Selbstlernen?“
TSR: „Das Selbstlernen ist natürlich wichtig. Ich bin aber eher dafür, es nicht auf einen Tag zu konzentrieren, sondern über die Woche flexibel zu verteilen und auf der Station durchzuführen. Die Infrastruktur dafür haben wir ja zum Beispiel in den Arztzimmern. Die Anwesenheit würde darüberhinaus gewährleisten, dass wichtige Ereignisse etwa im OP, im Katheterlabor oder Endoskopieraum nicht verpasst werden; Ereignisse und Tätigkeiten, die nicht in beliebiger Zahl zur Verfügung stehen und die zum Erwerb der Kompetenzen notwendig sind.
Wichtig ist, dass auch gelernt wird, dass sich ein Arzt aus dem Stationsalltag nicht einfach ´rausziehen kann. Die ärztliche Tätigkeit in den klinischen Fächern ist nicht mehr selbstbestimmt. Die Patienten stehen im Mittelpunkt! Das PJ macht die Studierenden auch mit dieser Situation vertraut, das gehört zum Lernstoff dazu. Das gehört auch zur Ausbildung der Teamfähigkeit. Teamfähigkeit ist ein Lernziel der klinischen Fächer und dies kann man ideal im PJ erfahren und erlernen.
Und es ist unsere Aufgabe als Hochschullehrer, auch diese Fähigkeit zu vermitteln. Genauso wie unsere Begeisterung für unser Fachgebiet. Trotzdem und selbstverständlich muss es dezidierte Freiräume für die Studierenden geben, Inhalte theoretisch zu bearbeiten.”
puls.: „Welche Motivation treibt Sie an, sich in der Lehre zu engagieren?“
TSR: „Ich bin Hochschullehrer!
Die Lehre gehört zu meinem Beruf – Krankenversorgung, Lehre und Forschung. Ich mache alles davon gern!
Diese drei Bereiche sind eng verzahnt. Ich leite Studierende ja nicht nur durch Lehre in der Patientenversorgung an, sondern führe sie auch schon vor dem Staatsexamen an Forschungsfragestellungen heran. Das ist ja ein Privileg von uns Medizinern, dass Forschung und Dissertation bereits vor dem Staatsexamen möglich sind.
Ich forsche zurzeit vor allem in zwei großen Projekten: In dem LOEWE-Projekt „Präventive Biomechanik – PräBionik“ im Themenfeld „Die Perforationswahrscheinlichkeit eines Bauchaortenaneurysmas“ und – gemeinsam mit Molekularbiologen im MPI in Bad Nauheim – in einem Projekt zum adaptivem Wachstum von Gefäßkollateralen.“
puls. bedankt sich Herrn Prof. Dr. Schmitz-Rixen für das spannende Interview.
Bettina Wurche