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Interview mit Frau Prof. Fulda „Translationale Forschung ist Teamarbeit!!!“

Frau Prof. Dr. Simone Fulda ist seit 2010 die Direktorin des Instituts für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie am Klinikum der Goethe-Universität.
Seit Anfang dieses Jahres ist sie für drei Jahre in den Wissenschaftsrat berufen worden. Der Wissenschaftsrat ist ein Gremium aus 24 Wissenschaftlern, acht Personen des öffentlichen Lebens sowie 22 Mitgliedern der Verwaltungskommission und berät die Regierungen von Bund und Länder bezüglich der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung. Sie ist eine engagierte Forscherin und Ärztin und setzt sich nachdrücklich für mehr junge MedizinerInnen in der medizinischen Forschung ein.

Interview:

„PULS.“:„Frau Prof. Fulda, Sie sind Kinderärztin und Onkologin. Von der Kinderärztin zur Krebsforscherin – ist das nicht eher ungewöhnlich? Wann in Ihrem Studium und aus welchen Gründen haben Sie sich für Ihre jetzige Forschungsrichtung entschieden?“
S. F.: „Ich habe mich schon während meines Studiums sehr stark für Forschung interessiert und dementsprechend auch eine experimentelle Promotion geschrieben. Während eines Semesters am Deutschen Krebsforschungszentrum und eines USA-Aufenthalts konnte ich dann noch verstärkt Erfahrung in der Forschung sammeln. Und dann habe ich mich während meiner Facharztzeit parallel zur Arbeit im klinischen Bereich habilitiert. Nach der Habilitation bekam ich ein Heisenberg-Stipendium, seitdem bin ich vollständig in der Forschung tätig.
Im Studium kommt die wissenschaftliche Arbeit oft zu kurz. Dabei ist es sehr wichtig, Studierende für die Forschung zu begeistern. Das Medizinstudium sollte keine Berufsausbildung sein.
Ich halte Forschung in der Medizin für sehr wichtig, denn: Medizin ist Wissenschaft!“

„PULS.“:„Sie haben also nach dem Studium die volle, sechs Jahre dauernde Facharztausbildung durchlaufen und den Klinikalltag als Kinderärztin kennen gelernt. Inwieweit halten Sie diese Erfahrungen und Kenntnisse für Ihre Forschung für hilfreich?“
S. F.: „Die vorherige Facharztausbildung war für mich sehr wichtig und hilft mir, in meiner Forschung die richtigen Ziele zu definieren.
Nur so kann man ein Bewusstsein und Verständnis für die Situation in der Klinik entwickeln, was für die enge Kooperation von essentieller Bedeutung ist. Durch meine klinische Erfahrung kann ich gute klinische Fragestellungen in gute wissenschaftliche Fragestellungen übertragen. Mediziner sind in der Forschung unglaublich wichtig, weil die Arztausbildung andere Perspektiven eröffnet.“

„PULS.“:„Unterscheidet sich die pädiatrische Onkologie von der Onkologie für erwachsene Patienten?“
S. F.: „Die pädiatrische Onkologie ist schon sehr speziell: Krebserkrankungen bei Kindern haben andere Ursachen und entstehen oft unter anderen Umständen. Krebs entsteht grundsätzlich durch ein gestörtes Gleichgewicht von Wachstum und Zelltod, dafür können sowohl genetische als auch exogene Faktoren ursächlich sein. Bei Kindern kommen die genetischen Ursachen sehr stark zum Tragen, die exogenen Faktoren wie etwa Alkohol- und Zigarettenkonsum oder eine ungesunde Lebensweise wirken sich oft erst bei älteren Patienten aus. Trotzdem lassen sich unsere Forschungsergebnisse zum gestörten Zelltod natürlich auch auf Krebserkrankungen bei Erwachsenen anwenden.“

„PULS.“:„Was verbirgt sich hinter dem Konzept der translationalen Medizinforschung im Kontext zur experimentelle Tumorforschung? Wie wird die Forderung der translationalen Medizin – also der Wechsel zwischen bench (Arbeitsplatz im Labor) und bedside (am Patientenbett) – de facto umgesetzt?“
S. F.: “Experimentelle Onkologie bedeutet, das wir mit experimentellen Systemen arbeiten: mit Zellkulturen im Labor. Wir arbeiten also an der „bench“. Ich selbst habe keine klinischen Verpflichtungen mehr und auch keine direkten Patientenkontakte. Der Kontakt zu den Patienten entsteht durch unsere eng verzahnte Zusammenarbeit mit den Kollegen im Klinikbereich, die direkt am „bed“ – am Patientenbett – arbeiten. Über gemeinsame Forschungsprojekte erreichen wir so eine sehr enge Zusammenarbeit und den direkten Informationsaustausch in beide Richtungen. Und dadurch können wir wissenschaftliche Fragestellungen von beiden Seiten angehen: So kann etwa die Entwicklung einer neuen Tumortherapie direkt mit klinischen Studien begleitet werden. Dadurch können wir sehr zielgerichtet und effektiv arbeiten.“

„PULS.“:„Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit als Forscherin und im Besonderen in der translationalen Medizin?“
S. F.: “Tumorzellen haben verlernt, den Zelltod – die Apoptose – anzuschalten. Darum erforschen wir die Mechanismen des Zelltods und sehen uns den programmierten Zelltod im Detail an. Warum funktioniert es nicht mehr? Welche Schlüsselmechanismen gibt es? Das sind zentrale Fragestellungen für die Entwicklung neuer Krebstherapien.
Derartige wichtige und umfassende Fragestellungen können überhaupt nur von Teams bearbeitet werden, in denen unterschiedliche Kompetenzen gebündelt werden. Translationale Forschung ist Teamarbeit!!!
Mich treibt das Interesse an Wissenschaft und Forschung. Das macht mir Spaß und ist meine Berufung.“

„PULS.“:„Personalisierte Onkologie und translationale Medizin sind Themen, die sich zurzeit rasant entwickeln. Wie sieht die Entwicklung dieser Forschungsrichtungen in Frankfurt zurzeit aus?“
S. F.: „Da gibt es gerade viele neue Forschungsverbände.
Im letzten Jahr sind in Deutschland Gesundheitsforschungszentren gegründet worden, die sich in großen, interdisziplinären Arbeitsgruppen mit bestimmten Schwerpunkten befassen, den sogenannten „Volkskrankheiten“:
In Frankfurt haben wir ja den Zuschlag für gleich zwei dieser neuen Zentren bekommen:
Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
und das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung.
Diese Zentren bieten für Nachwuchsforscher viele Möglichkeiten, gerade auch im Bereich der Translationalen Medizin.“

„PULS.“:„Wie geben Sie Ihre wertvollen Erfahrungen und Kenntnisse an die Studierenden weiter? Sind Sie in die Lehre eingebunden?“
S. F.: „Ich habe Freude an der wissenschaftlichen Arbeit und möchte sie nicht missen. Und ich möchte, dass dieser Funken auch auf die Studierenden überspringt! Darin sehe ich meine Aufgabe als Hochschullehrerin.
Zunächst betreue ich natürlich Doktorarbeiten.
Dann bin ich in unserem LOEWE-Projekt „Onkogene Signaltransduktion“ für die Nachwuchsförderung verantwortlich.
Auch im Wissenschaftsrat sind die Nachwuchsförderung und die Förderung der klinischen Forschung für mich besonders wichtige Anliegen. In meinem Beitrag „Medizin als Wissenschaft: Ärztemangel in der klinischen Forschung*“ (Forschung und Lehre 1/12, S. 28) habe ich die derzeitige schwierige Situation für Nachwuchsforscher in der Medizin und Lösungsansätze dargestellt. Wir brauchen dringend forschende Mediziner und müssen die entsprechenden Strukturen dafür schaffen.
Außerdem bin ich Vertrauensdozentin der Studienstiftung für den Bereich der klinischen Medizin in Frankfurt. Ich bin nämlich Ex-Stipendiatin und kann durch dieses Ehrenamt jetzt etwas zurückgeben.
Darüber hinaus werde ich in dem zurzeit geplanten neuen Bachelor-/Master-Studiengang „Molekulare Medizin“ für Lehrveranstaltungen der Onkologie zuständig sein. Dieser Studiengang wir ja auch unseren Medizinstudierenden offen stehen, sie können dort noch einen zusätzlichen Master für dieses spezielle Fachgebiet  erwerben.
Und dann organisieren wir Informationsveranstaltungen für Studierenden und andere Interessierte. So bieten wir am 05. Juli einen interdisziplinären Diskussionsabend zu den neuen Deutschen Gesundheitszentren an. Das ist gerade für Studierende spannend, die sich über translationale Forschung und andere aktuelle Entwicklungen informieren wollen (Diskussionsabend DZG).
Sie sind herzlich dazu eingeladen!

„PULS.“ dankt Frau Prof. Dr. Simone Fulda für das engagierte Interview.
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.

Bettina Wurche

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