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Hochschulpolitik: EU schlägt Verkürzung des Medizinstudiums vor

Zeit-online berichtet in dem Beitrag “Studienzeiten: EU will Medizinstudium verkürzen“ vom 24.01.2012 über einen Vorschlag der EU, die Mindestdauer des Medizinstudiums bei gleich bleibender Unterrichtszeit um ein Jahr kürzen. Deutsche Medizinische Fakultäten, Deutsche Hochschulmedizin e. V. und der Medizinische Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland lehnen diese Überlegungen ab: sie befürchten generell eine Absenkung des Ausbildungsniveaus und verschiedene andere negative Auswirkungen auf Studierende und Lehrende.

Was steht in der neuen EU-Richtlinie?
Der Dachverband Deutsche Hochschulmedizin e.V., dem der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) hat sich mit dem geplanten EU-Vorhaben detailliert beschäftigt und eine Stellungnahme dazu herausgegeben.
„Der Vorschlag [der EU - Die Red.] sieht für das Medizinstudium vor, Art. 24 Abs. 2 S. 1 Richtlinie 2005/36/EG [über die Anerkennung von Berufsqualifikationen: Medizin- und Zahnmedizinstudium – Die Red.]
zu ändern. Die geltende Fassung lautet
„(2) Die ärztliche Grundausbildung umfasst mindestens sechs Jahre oder 5 500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität.“
und soll wie folgt geändert werden
„(2) Die ärztliche Grundausbildung umfasst mindestens fünf Jahre (kann auch in der entsprechenden Anzahl von ECTS-Punkten ausgedrückt werden) und besteht aus mindestens 5 500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität.“
Ferner soll ein neuer Abs. 4 in Art. 24 eingefügt werden, der die Kommission ermächtigt, delegierte Rechtsakte nach Art. 58a zu erlassen, um anzugeben, welche angemessenen Kenntnisse, Erfahrungen und Praktiken im Medizinstudium erworben werden und zu welchen Kompetenzen diese führen sollten.
Künftig sollen auch die Inhalte des Zahnmedizinstudiums durch die EU-Kommission festgelegt werden. Hierfür wird Art. 34 analog zu Art. 24 Abs. 4 ergänzt.“ (Deutschen Hochschulmedizin e. V.:Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen Hier: Medizin- und Zahnmedizinstudium)

Die Reduzierung der Dauer für ein Medizinstudium bei gleich bleibenden Lerninhalten würde nach Aussage der Deutschen Hochschulmedizin e. V. zu einer Wochenstundenzahl von bisher 72 Stunden auf künftig 90 Stunden führen. Dafür würden praktische Anteile des Studiums wie Pflegepraktika und Famulaturen gekürzt werden müssen, die zurzeit für das deutsche Medizinstudium nach ÄApprO vorgeschrieben sind.
Das würde zu einer unzumutbaren Belastung sowohl für Studierende als auch für Lehrenden führen. Eine höhere Anzahl von Studienabbrechern und eine noch stärkere soziale Selektion wären zu befürchten. Eine weitere Erhöhung der Wochenstundenzahl hätte u. a. auch zur Folge, dass Studierende noch mehr Probleme hätten, neben dem Studium Geld zu verdienen, obwohl viele darauf angewiesen sind. Weiterhin würde noch weniger Zeit für soziales Engagement neben dem Studium sein. Dadurch würde langfristig eine Veränderung in der Sozialstruktur der Studierenden und ausgebildeten Mediziner auftreten, die nicht wünschenswert ist.
Insgesamt ist zu befürchten, dass durch die noch stärkere Verdichtung der Lerninhalte und Absenkung der praktischen Ausbildungsabschnitte das Niveau der Ausbildung generell abgesenkt wird.
Weiterhin wird abgelehnt, dass die Studieninhalte künftig von Politikern und EU-weit festgelegt werden sollen.
(Stellungnahme der Deutschen Hochschulmedizin e. V. zur neuen EU-Richtlinie)

Pressemitteilung des Medizinischen Fakultätentags der Bundesrepublik Deutschland:
Der Medizinische Fakultätentag hält die von Brüssel geplante Verkürzung und die damit einhergehende Verdichtung des Medizinstudiums weder für umsetzbar noch wünschenswert: „Von den 5.500 Mindeststunden, die an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität geleistet werden, entfallen 1.920 Ausbildungsstunden auf das Praktische Jahr“, erläutert Professor Dieter Bitter-Suermann, Präsident des Medizinischen Fakultätentages. „Wenn Brüssel nun ein Studienjahr streichen will, müssten die weiteren 3.580 Stunden künftig in vier Jahren bewältigt werden. Der wöchentliche Lern- und Lehraufwand würde um 25 Prozent zunehmen.“
[…]
„Mit der vorgeschlagenen Verdichtung des Medizinstudiums würde langfristig die Versorgungsqualität abnehmen“, mahnt Strehl.

Was bedeutet der EU-Vorschlag konkret?
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Vorschlag der EU-Kommission sich überhaupt durchsetzen wird.
Selbst falls diese Veränderung käme, bliebe dann immer noch die Frage der Umsetzung.
Der Passus zur Dauer des Medizinstudiums lautet „mindestens 5 Jahre“. Das heißt, dass eine Reduzierung des Medizinstudiums von sechs auf fünf Jahre nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Bettina Wurche

1 Kommentar

  1. so ein Blödsinn diese Verkürzung,als ob wir in der Zeit die wir haben nicht schon genug unter Druck stehen würden…