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Medizinstudium: Propädeutikum – Ein guter Start für alle

Das Medizin-Propädeutikum ist ein spezieller Vorbereitungskurs für Studienbewerber aus Nicht-EU-Staaten, die an der Goethe-Universität Frankfurt Medizin oder Zahnmedizin studieren möchten.
Die jungen Menschen leben seit drei Wochen bis sechs Jahren in Deutschland, haben sehr unterschiedliche Lebensläufe und kommen aus grundverschiedenen Schulsystemen. Der Vorbereitungskurs läuft im Sommersemester vor dem Studienbeginn und hilft den Teilnehmern, sich sprachlich und fachlich auf Ihr Studium vorzubereiten:

  • Kontakte mit dem Fachbereich Medizin
  • Lernen in einer Gruppe von Leuten mit gleichen Interessen
  • Einführung in wissenschaftliche Arbeitstechniken des angestrebten Studienfachs
  • Vorbereitung auf den Studierfähigkeitstest (für Mediziner und Zahnmediziner)
  • fachlich-methodische und fachsprachliche Vorbereitung auf das Studium

Das Propädeutikum und den Studierfähigkeitstest gibt es in dieser Form nur in Frankfurt.

Interview mit Khrystyna Sych und Vikas Kumar

Khrystyna Sych und Vikas Kumar studieren im 2. vorklinischen Semester Medizin. Sie haben selbst am Propädeutikum teilgenommen und sind im jetzt Mentoren.
Im „PULS.“-Interview erklären Sie, wie ihnen das Propädeutikum den Studienbeginn erleichtert hat.

„PULS.“: „Frau Sych, Herr Kumar, Sie kommen beide aus Nicht-EU-Ländern und wollten in Deutschland Medizin studieren. Welche Herausforderungen mussten Sie meistern, um das Studium aufzunehmen?
V. K.: „Für uns war alles neu. Ein Beispiel: Ich hatte, als ich ankam, schon Probleme, überhaupt eine Fahrkarte zu kaufen. In Indien geht man zu einem Fahrkartenverkäufer. Das gibt es in Deutschland nicht. Hier kauft man die Fahrkarten am Automaten. Das musste ich lernen. Viele Dinge sind eben ganz anders als in Indien.
Da wir in Indien nur 12 Jahre zur Schule gehen, habe ich hier das Studienkolleg besuchen müssen, bevor ich ein Universitätsstudium beginnen durfte. Das war eine super Vorbereitung für mich, weil man dort ALLES fragen konnte und auf alles eine Antwort bekam. Es wird alles sehr gut verständlich erklärt.“K. S.: „Ich konnte am Propädeutikum nicht teilnehmen, weil ich noch das Studienkolleg besuchen musste. Herr Seibert-Alves hatte mir aber erlaubt, am Biologie-Kurs des Propädeutikums teilzunehmen. Dort haben wir auch ganz viele Infos über das gesamte Studium bekommen, so dass wir das Studiensystem verstehen konnten. Das war wichtig, so wussten wir, wann wir uns wie und wo anmelden mussten. Dadurch konnten wir uns dann an der Uni auf das Studium konzentrieren, das ist schon umfangreich genug.
Das gesamte Schul- und Universitäts-System ist hier ganz anders. Zum Beispiel läuft im Studium alles über das Internet: Die Kursanmeldung, die Kursinhalte und die Stundenpläne. Das kennen wir so nicht. Und weil für uns alles neu war, war es zu Anfang manchmal schwierig, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.“

„PULS.“: „Welche Ansprechpartner für ausländische Studierende gibt es an der Universität?“
K. S., V. K.: „Das Internationale Studienzentrum (ISZ, International Office) an der Haupt-Uni bietet Ansprechpartner für Fragen wie Visa, Geld und alles andere.“

„PULS.“: Ein zentrales Thema ist die Sprache. Wenn man ein Studium aufnimmt, muss man die Sprache schon gut beherrschen, damit man sich auf die Lerninhalte konzentrieren kann. Wie sind Sie zu Ihren jetzigen sehr guten Sprachkenntnissen gekommen?“
K. S.: „Ich bin in der Ukraine schon früh auf eine Schule gegangen, die einen Schwerpunkt in der deutschen Sprache hatte. Dadurch hatte ich seit meinem 6. Lebensjahr Sprachunterricht. Wir hatten auch immer private Verbindungen nach Deutschland und ich habe zum Beispiel Briefe übersetzt, dadurch hatte ich mich schon intensiv mit der Sprache beschäftigt. Als ich dann nach Deutschland kam, habe ich unter anderem auch viele deutsche Bücher gelesen, um noch flüssiger schreiben zu lernen. Ich hatte dadurch also schon insgesamt 12 Jahre Deutsch, davon zwei Jahre an der Uni, an der Fakultät für Fremdsprachen als Hauptfach. Und im Propädeutikum habe ich dann noch die Fachsprache für das Studium kennen gelernt.“
V. K.: „Ich habe in Indien sechs Monate intensiv Deutsch gelernt, vor allem die Grammatik und Vokabeln. Das Sprechen kam dann erst, als ich schon hier war. Danach habe ich mich noch drei Monate konzentriert auf die Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg vorbereitet. Die Fachsprache für das Medizinstudium kam dann im Propädeutikum. Diese Sprachvorbereitung war wirklich wichtig, um den Vorlesungen folgen zu können. Und unter Zeitdruck wie in den Klausuren verschärfen sich Sprachprobleme dann noch einmal.“
K. S., V. K.: „Das Propädeutikum hat uns auf das Niveau gebracht, auf dem in Frankfurt studiert wird. Inhaltlich und sprachlich. Denn die Wissenschaftssprache ist noch einmal ein großer Unterschied zur Umgangssprache. Das Propädeutikum ist die Basis: Es ermöglicht das Bestehen des Studierfähigkeitstests und öffnet damit den Weg zum Studium. Und die Kurse von Herrn Seibert-Alves sind auf dem Niveau, auf dem die Vorlesungen später auch sind: Es wird schnell gesprochen, man sieht den Dozenten nicht immer und muss in der Vorlesung sofort die Inhalte aufnehmen. Das ist schon ein anderes Niveau als etwa das Studienkolleg davor.
V. K.: „Vor allem lernen wir hier die Wissenschaftssprache. Die unterscheidet sich ja noch einmal stark von der Umgangssprache. Viele Begriffe aus der Biologie, Chemie und Physik kannte ich ja schon aus der Schule, ich hatte dort sehr intensiven Unterricht in den Naturwissenschaften. Aber jetzt weiß ich auch, wie die Begriffe auf Deutsch heißen. Und das brauche ich, um den Vorlesungen folgen zu können.“
K. S.: „Leute, die schon einen Studienabschluss haben oder auch nur ein Semester eine Naturwissenschaft studiert haben, dürfen nicht mehr das Studienkolleg besuchen. Das kann im Bereich der Sprache problematisch werden. Auch wenn sie theoretisch die notwendigen Kenntnisse haben, kennen sie nicht die deutschen Begriffe, wie sie dann später in den Vorlesungen vorausgesetzt werden.“

Anmerkung: Die vorbereitenden Kurse in Chemie und Physik laufen am Studienkolleg, die Biologie-Kurse sind hier im Fachbereich Medizin im Propädeutikum.

„PULS.“: Was hat Ihnen das Propädeutikum bezüglich der fachlichen Inhalte gebracht?“
K. S.: „Das deutsche System in Schule und Studium ist stark auf die Praxis ausgelegt. In der Ukraine wird vieles eher theoretisch gelehrt. Ich musste mich ganz schön umgewöhnen.“
V. K.: „Ich hatte die meisten naturwissenschaftlichen Inhalte schon in der Schule: In Indien werden in den Klassenstufen 11 und 12 zwei Jahr nur Naturwissenschaften gelernt – Physik, Chemie und Biologie. Aber an der Universität ist das Niveau dann noch einmal höher. Die Struktur des Propädeutikums ist wirklich gut: Herr Seibert-Alves hat den Biologie-Unterricht so gut gemacht, dass wir jetzt dafür nicht mehr lernen müssen, weil wir den Stoff beherrschen. Dadurch haben wir jetzt mehr Zeit für andere Inhalte.“

„PULS.“: „Was hat dieser Vorbereitungskurs für Sie persönlich bedeutet?“
V. K.: „In meinem Land werden Noten zurückhaltend verteilt. Es gibt sehr selten sehr gute Noten. Unser Durchschnitt ist viel schlechter als der in anderen Ländern, in denen einfach bessere Noten gegeben werden. Mit meiner Heimatnote hätte ich an den meisten deutschen Universitäten keine Chance auf einen Medizin-Studienplatz gehabt, obwohl meine Kenntnisse wirklich gut sind. Im Propädeutikum haben wir dann noch einmal Noten bekommen, dabei habe ich sehr gut abgeschnitten. Und diese Note hat meinen Schnitt soweit verbessert, dass ich den Studienplatz bekommen habe. Das Frankfurter System ist dadurch viel gerechter als das anderer Universitäten, weil zumindest teilweise meine tatsächlichen Kenntnisse und nicht einfach nur die Heimatnote berücksichtigt wurden.“

Beide empfinden es als ungerecht, dass die Heimatnote immer noch zu 51 % berücksichtigt wird. Die Schulsysteme seien einfach zu unterschiedlich.

„PULS.“: „Hat es Ihnen geholfen, dass sie im Vorbereitungskurs einfach schon einmal andere StudienkandidatInnen kennen gelernt haben? Haben Sie zu denen noch Kontakt?“
K. S., V. K.:„Die Gruppe war wichtig, mit einigen besteht jetzt noch Kontakt. Weil wir schon gemeinsame Erfahrungen gemacht haben, haben wir eine gute Möglichkeit für Gespräche und Problemlösungen. Diese Mitstudierenden bleiben wichtig für das spätere Studium, man kann z. B. gemeinsame Lerngruppen bilden. Als ausländische Studierende haben wir manchmal andere Probleme und Fragen als die deutschen Studierenden.“

„PULS.“: „Welchen Studierenden würden Sie das Propädeutikum empfehlen?“
K. S., V. K.:„Wir würden es allen ausländischen Studierenden empfehlen, um in Sprache und Inhalt auf das Niveau zu kommen, das im Studium erwartet wird. Außerdem wird man mit dem System vertraut, so dass man sich dann voll auf die Studieninhalte konzentrieren kann. Uns hat es sehr geholfen.“

„PULS.“ bedankt sich bei Frau Sych und Herrn Kumar für das begeisterte Interview.
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.

Bettina Wurche

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