Artikelformat

„PULSmesser“: „Lernen ist Wettbewerbsverzerrung“

Niemand lernt, aber die meisten Studenten bestehen ihre Klausuren.
Seltsam, oder?

"PULSmesser" - die Kolumne

"PULSmesser" - die Kolumne

Genau dies machte mich zu Beginn meines Studiums und während der ersten Semester stutzig. Bis ich merkte, dass so gut wie jeder nur behauptet, nicht zu lernen. Jeder von uns macht neben dem Lernen auch noch andere Dinge am Tag. Wenn man diese dann in Erzählungen ausschmückt, hervorhebt und das Lernen thematisch dezent „unter den Tisch fallen“ lässt, entsteht also wirklich der Eindruck beim Gegenüber, dass man nicht gelernt hätte.

Sehen wir der Tatsache doch einmal ins Auge: Eigentlich hat niemand Lust zu lernen. Nicht bei dem Druck, der entsteht, wenn wir in kürzester Zeit ein immenses Wissen in unseren Kopf zu „prügeln“ haben, das eigentlich interessant sein könnte. „Könnte“!

Man entwickelt eine Anti-Haltung, die gerade dann, wenn man besonders viel zu lernen hat, exponentiell steigt. Der sogenannte „innere Schweinehund“.

Aber warum lügen wir uns dann untereinander an? Warum erzählt mir eine Kommilitonin, mit der ich in die mündliche Anatomie-Prüfung gehen möchte, kurz vor der schriftlichen Prüfung, dass sie „nichts wisse und die Klausur eh nicht schaffe“ und kreuzt dann 28 von 30 Punkten? Mysteriös… Oder einfach dreist? Vielleicht ist es aber auch Selbstschutz, denn so viel Lernen in so kurzer Zeit, wie uns das Studium abverlangt, erzeugt auch eine ganz natürliche Anti-Haltung, nämlich den Drang zur Freiheit und zur Freizeit. Man möchte sich nicht den kompletten Tag dazu verdammen müssen, vor einem Lehrbuch zu brüten, wenn man doch eigentlich in der Sonne liegen und mit Freunden Eis essen könnte.

Da man das Studium dennoch erfolgreich bestehen möchte und auch den Ehrgeiz besitzt, den Abschluss zeitnah zu erreichen, muss ein jeder von uns in den Lern-Hochphasen dann aber eben doch mehr pauken als ihm lieb sein kann.

Dies zuzugeben ist allerdings schwer, will man doch nicht als „uncool“ und als „Streber“ gelten. Hier sind wir wieder beim Anfangsgedanken: Gerade in den ersten Semestern möchten wenige zugeben, wie viel Zeit sie tatsächlich investieren (müssen).

Je weiter man im Studium fortschreitet, desto eher begreift man, dass man seinen Tag nur sehr gut strukturieren muss, um trotz des Lernens auch noch Zeit für Freunde, Sport und andere Freizeitaktivitäten zu haben. Parallel dazu ändert sich auch die Haltung zu denen, die zugeben, zu lernen: Von leichter Verachtung bis Amüsiertheit verschiebt sie sich zu Respekt vor der Konsequenz und der Kraft, den „inneren Schweinehund“ überwunden zu haben.

Aber wie das so oft ist: Ganz legt es sich nicht, dass man neidisch auf den Erfolg der anderen ist. Und da sich dieser Erfolg bei regelmäßigem Lernen einstellt, werden wir wohl immer etwas neidisch auf diejenigen sein, denen es gelingt, sich konsequenter und beizeiten dem Lehrstoff zu widmen.

Was sich jedoch im Laufe der Semester ändert, ist die eigene Haltung zum Lernen: Es ist einem irgendwann nicht mehr peinlich oder unangenehm, zuzugeben, dass man das ganze Wochenende in der Bibliothek verbracht hat. Nein, man ist stolz, sich selbst soweit diszipliniert zu haben, zu wissen, wann es einfach notwendig ist, sich auf den Hosenboden zu setzen und sein Lerntagespensum zu erledigen.

Wenn ihr euch auch öfter fragt (gerade in den ersten Semestern), ob ihr die Einzigen seid, die für ihren Erfolg lernen müssen, dann kann ich euch eines raten: Packt eure Lernsachen und setzt euch zum Lernen in die Bibliothek! Zum einen ist dort einfach die Atmosphäre eine förderliche, so dass man selbst das sture Lernen eher durchhält, zum anderen seht ihr eure Kommilitonen, denen es ganz genau so geht wie euch und ihr merkt schnell, dass Lernen von nun an einfach dazugehört.

Auris

„PULSmesser“ ist die studentische „PULS.“-Kolumne und erscheint während der Vorlesungszeit monatlich.

4 Kommentare

  1. sehr interresant geschrieben, das wirft doch mal ein ganz anderes Licht auf das “faule Studentenpack” ;)