Heinrich Hoffman-Straße heißt eine Straße des Frankfurter Universitätsklinikums und Medizincampus. Als Erklärung steht auf dem
Straßenschild „Dr. Heinrich Hoffmann (* 1809 + 1894) Geheimer Sanitätsrat, Verfasser des Kinderbuchs „Struwwelpeter“)“
An der Heinrich Hoffmann-Straße liegen der Blutspendedienst, die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und andere Einrichtungen der Uniklinik. Auch die dortige Straßenbahnhaltestelle trägt den Namen „Heinrich Hoffmann“ (mit dem Zusatz: Blutspendedienst).
Wer war Heinrich Hoffmann?
Heinrich Hoffmann (* 13. Juni 1809 in Frankfurt am Main; † 20. September 1894 ebenda) war ein Frankfurter Arzt, Psychiater, Buchautor und Lyriker. Sein bekanntestes Buch ist „Der Struwwelpeter“
Von 1829 bis 1832 studierte Hoffmann in Heidelberg und Halle Medizin, 1833 promoviert er. 1835 wurde er zum Arzt des Leichenschauhauses auf dem Friedhof in Sachsenhausen berufen und eröffnete daneben eine Praxis als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Sachsenhausen. Von 1835 bis 1846 versorgte er außerdem in der der Armenklinik in der Meisengasse mittellose Patienten aus Frankfurt und der Umgebung. Zwischen 1844 und 1851 unterrichtete er am Senckenbergischen Institut Anatomie.
1851 wurde er zum Direktor der Anstalt für Irre und Epileptische in Frankfurt am Main, der sogenannten „Städtischen Nervenheilanstalt“, ernannt. Hoffmann gilt heute als einer der ersten Jugendpsychiater. In seinem Buch „Der Struwwelpeter“ gab er, nach Aussage der Universitätsklinik, „wohl die Erstbeschreibung des hyperkinetischen Syndroms der Kinder.“
Bis zu seiner Pensionierung 1888 engagierte er vor allem sich in der Verbesserung der Situation der psychisch Kranken: Er konnte durch sein hartnäckiges Auftreten den Neubau der städtischen Nervenheilanstalt auf dem Affensteiner Feld im damals noch unbebauten nördlichen Westend durchsetzen. Hoffmann entwarf ein Gebäude, das an den Bedürfnissen der Kranken ausgerichtet war und kümmerte sich dabei auch um Details wie die Größe der Schlafstuben und die Fenstervergitterung. Sein großes Engagement hatte Erfolg: 1864 wurde die neue Anstalt für Irre und Epileptische im Westend eröffnet. In dem weitläufigen Neubau gab es für die psychisch Kranken ein breit gefächertes Therapieangebot (Rolf Castell et al: Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961).
Ein anderes Hoffmann-Kinderbuch, das Weihnachtsmärchen „König Nussknacker und der arme Reinhold“ von 1851, ist ebenfalls berühmt geworden. Seine Zeichnung eines Nussknackers vom Frankfurter Weihnachtsmarkt war das Vorbild für die ab 1870 im Erzgebirge gedrechselten Nussknacker, die bis heute ein wichtiges weihnachtliches Symbol sind.
„Der Struwwelpeter“ – das enfant terrible der Literaturgeschichte
Neben seiner ärztlichen Tätigkeit publizierte Hoffman Bücher, Lyrik und Theaterstücke.
1844 hatte er als besonderes Weihnachtsgeschenk für seine Kinder ein Bilderbuch geschrieben und gemalt: „Der Struwwelpeter“.
Das Buch bestand aus mehreren kurzen Geschichten, in jeder Geschichte verhält sich ein Kind – nach damaligen Maßstäben – „ungezogen“ und wird dafür bestraft.
Die „Geschichte vom fliegenden Robert“ wirkt dabei noch lustig: Klein-Robert geht trotz des Sturms aus dem Haus, der Sturm erfasst seinen Regenschirm und weht Kind und Regenschirm hinfort. Dass ein Kind vom Wind weggeweht wird, ist so unrealistisch, dass die Satire offensichtlich ist.
Andere Kinder werden wesentlich grausamer bestraft: Das Mädchen Pauline spielt mit Streichhölzern – von ihr bleibt nur ein Häufchen Asche übrig. Der Knabe Konrad nuckelt trotz seines fortgeschrittenen Alters noch am Daumen – der Schneider schneidet ihm mit der großen Schere die Daumen ab.
In den Geschichten vom „Zappelphilipp“ und „Hanns-guck-in-die-Luft“ werden kindliche Verhaltensweisen wie Zappeln oder unbekümmertes Herumlaufen beschrieben, die in bösen Unfällen der Kinder enden.
„Der Struwwelpeter“ wurde 1845 erstmals gedruckt, damals war der Titel noch „Lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3-6 Jahren”.
Nach heutigen Maßstäben ist es undenkbar, einem Kind im Vorschul- oder auch noch im Grundschulalter mit derartig brachialpädagogischen Geschichten zu kommen.
Manche Kritiker vertreten die Meinung, dass auch Kinder dieses Alters erkennen können, dass es sich bei den übersteigerten Geschichten um Satire handeln muss. Die meisten Pädagogen sind allerdings der Meinung, dass Kinder dieses Alters Satire nicht ohne weiteres erkennen und den „Struwwelpeter“ vielmehr schauderhaft grausam empfunden würden.
„Zappelphilipp“: Diagnose ADHS?
Hoffmann liefert uns mit den Geschichten vom „Zappelphilipp“ und „Hanns-guck-in-die-Luft“ erste Hinweise auf heute gängige Diagnosen wie Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS): „In neuerer Zeit wurde der Struwwelpeter von der klinischen Psychologie und der Jugendpsychiatrie entdeckt. Die Beschreibungen des Zappelphillipps und zum Teil auch des Hanns-Guck-in-die-Luft werden als volkstümliche Beschreibungen bzw. Symbole für Spielarten der Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) herangezogen. Dabei zeige der Zappelphillipp eine Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität („Zappeln“), weshalb diese psychische Störung im deutschsprachigen Raum zum Teil als Zappelphilipp-Syndrom bekannt geworden ist. Hanns-Guck-in-die-Luft hingegen wird zum Teil als verträumter Gegentyp gelesen, manchmal auch als „Träumerle“ beschrieben, und vertrete demnach eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität, aber mit deutlich reduzierter Aufmerksamkeit.“
Hoffmanns Buch hat auch Eingang in unsere Umgangssprache gefunden:
Jeder weiß, was ein Zappelphillipp, Suppenkaspar oder Hans-Guck-in-die-Luft ist. Auch Zitate wie “Konrad” sprach die Frau Mama “ich geh aus und Du bleibst da.” sind in unsere Umgangssprache eingegangen.
Glücklicherweise ist es bei uns seit mehreren Jahrzehnten absolut out, Kinder durch extrem abschreckende Strafen zu maßregeln.
Darum ist das einstige Kinderbuch heute eher ein Buch für Erwachsene, das interessante historische Aspekte in der „Kindererziehung“ dieser Zeit darstellt.
Das Buch ist mittlerweile in über 35 Sprachen übersetzt worden und ist vielfach nachgeahmt und parodiert worden: Die bekannteste der sogenannten Struwwelpetriaden ist „Die Struwwelliese“ (wikipedia: Struwwelpeter).
Struwwelpeter zum Angucken
Im Frankfurter „Heinrich-Hoffmann und Struwwelpeter“-Museum in der Schubertstraße 20 gibt es eine umfassende Ausstellung über den berühmten Arzt und Autoren und sein bekanntestes Werk.
Das Museum hat dienstags bis sonntags zwischen 10:00 und 17:00 Uhr geöffnet.
Bettina Wurche