In der Presselandschaft tummeln sich unzählige profunde Vorurteile und satirische Beiträge über das Studieren, Lehren und das universitäre Leben an sich. Zurzeit sind es mal wieder so viele, dass sie uns doch einen Artikel wert sind.
Welcher Wahrheitsgehalt liegt in diesen modernen Mythen?
In seiner Professorenkolumne “Was vom Helden übrig blieb” auf Zeit-online beklagt der Autor, dass den heutigen Professoren das Heldentum fehle. Sie hätten den Imagewandel vom Helden zum normalen Menschen nicht verkraftet und würden darum Neurotiker: „Die Universitäten von heute haben ein Problem: Ihnen gehen die Mythen verloren. Als die Alchemisten früher ihre Säfte zusammenmischten, konnte es knallen oder Gold regnen. Darwin und Humboldt erkundeten eine Welt, in der es überall vor allem zwei Dinge gab: Abenteuer und Gefahr.“
Der Beitrag erscheint – bei näherer Betrachtung – wenig zutreffend: Auch früher waren nicht alle Professoren Helden und Entdecker, gerade in den Geisteswissenschaften dürfte das schon rein thematisch etwas schwierig gewesen sein. Ein Germanist hat und hatte schließlich andere Forschungsschwerpunkte, als den Amazonas zu bereisen oder die Nordwestpassage zu entdecken. Und unter Zoologen, Paläontologen, Archäologen und ähnlichen Disziplinen gibt es auch heute wagemutige Abenteurer, die Erforschung des antarktischen Eisschildes oder der Verbreitung der Diamant-Klapperschlange bedingt eine gewisse Erfahrung vor Ort. Eben in Eis, Wüste oder Dschungel. Oder sonst wo.
Außerdem ist es ein Trugschluss, anzunehmen, dass Professoren früher weniger neurotisch gewesen seien. Johann Christian Senckenberg, Charles Darwin, Sigmund Freud und unzählige andere Gelehrte sind ihren Zeitgenossen und -genossinnen sicherlich nicht wenig wunderlich erschienen. Auch wenn damals das Wort „neurotisch“ noch nicht erfunden war.
Der Zeit-online Beitrag “Still und heimlich wäre er gern Zahnarzt!” mag eher zutreffen, bietet aber wenig neue Erkenntnisse, dafür auf deutlich niedrigerem Niveau. Die Story ist einfach: Ein „Zahni“ und ein „Humani“ wohnen in einer WG, lassen sich am gemeinsamen Küchentisch interviewen und unterstützen sich gegenseitig beim Lernen. Nahtkurs am Schweinsfuß im Tausch gegen eine professionelle Zahnreinigung. Ja und? Liegt doch nahe.
Weiterhin beneiden die „Humanis“ die „Zahnis“ um die vielen „Mädels“, die viel Zeit für ihre Körperpflege aufwenden. Bei so vielen „Mädels“ spricht man(n) dann gern mal von Feensemestern.
Geht es noch etwas peinlicher? Habt ihr kleinen Schnösel die letzten Wochen während der Sexismus-Debatte mit einem Eimer über den Kopf gelebt?
Dann war da noch die Story von dem belgischen Gast-Professor, der nach der Vorlesung vergaß, den Stream für die Online-Übertragung abzuschalten. Und dann, eigentlich ganz privat, ein paar Porno-Seiten zur Entspannung aufrief. Leider guckte die ganze Uni mit.
Allerdings hatte davor wohl eine recht anständige Vorlesung gehalten.
Sagen jedenfalls seine Studis.
Das ist ja zumindest ein Benefit.
Vielleicht wäre die Porno-Story doch auch noch ein gutes Argument für einen höheren Frauenanteil an der Uni – die gucken angeblich nicht so viele Pornos während der Arbeitszeit.
Ach ja, Frauen und die Uni…
Am 08. März ist Weltfrauentag. Das war der Anlass für einen ätzenden Artikel in der duz (Deutsche Universitäts-Zeitung) mit dem Titel: „Frau Forscherin wollen Sie zu uns?“.
Eine Betriebsanleitung, ganz ohne Gender-Gedöns für Männer und Frauen und den Arbeitsalltag an deutschen Universitäten, so meint die Autorin.
Glücklicherweise ist das nur eine Satire und völlig überzogen, die Realität sieht natürlich ganz anders aus.
Oder?
All diese Geschichten sollen angeblich voll aus dem Campus-Leben sein.
Die Grenzen zwischen Wahrheit und Wahnsinn sind fließend.
Wenn die Uni schon nicht für ihre Errungenschaften in Wissenschaft, Forschung und Lehre in die Schlagzeilen kommt, ist das Campus-Leben auf jeden Fall ein paar launige Zeilen zwischen Grinsen und Kopfschütteln wert.
Bettina Wurche