Das Semester neigt sich dem Ende zu, der Sommer ist endlich da und die große Sommer-Reisewelle beginnt.
Eine der unangenehmsten Reise-Nebenwirkungen sind die berüchtigten Magen-Darm-Infekte. Ihre Trivialbezeichnungen „Montezumas Rache“ bzw. „Pharaos Rache“, je nach geographischer Situation, weisen schon darauf hin, dass sie viel Ungemach bedeuten.
Durchfallerkrankungen hängen in erster Linie mit den niedrigeren Hygienestandards in vielen Ländern Südamerikas, Afrikas und Süd-Ostasiens zusammen, und den höheren Temperaturen, in denen Keime wesentlich besser wachsen können. Außerdem muss sich nach jedem Ortswechsel der Körper mit seinem Mikrobiom auf eine andere mikrobiologische Fauna einstellen und ist damit manchmal zunächst überfordert.
„Peel it, cook it or forget it“ gehört zu den wichtigsten Ratschlägen für Reisende, dicht gefolgt von „Kein Leitungswasser trinken“ und „Häufig Hände waschen“.
Außerdem ist eine gut überlegte Reiseapotheke sehr wichtig – die hilft, wenn alle Vorsicht nichts geholfen hat.
Die „Drei-Schüssel-Prophylaxe“ und andere Vorsorgemaßnahmen
David J. Diemert schreibt in “Prevention and Self-Treatment of Traveler’s Diarrhea“ (Clin. Microbiol. Rev. July 2006 vol. 19 no. 3 583-594. 2006), dass von den vielen Reisenden, die aus der industrialisierten Welt in Entwicklungsländer reisen, zwischen 20 % und 50 % eine Durchfallerkrankung bekommen. Er führt in seinem Artikel wichtige Vorsorgemaßnahmen und Möglichkeiten zur Selbstbehandlung auf.
In “Laboratory Evaluation of the 3-Bowl System Used for Washing-Up Eating Utensils in the Field“ beschreiben Joanna S. Hargreaves et al ein System, mit dem auch ohne fließendes sauberes Wasser Essgeschirre hygienisch einwandfrei gewaschen werden können. Die Essgeschirre werden in einer Kette aus drei Schüsseln mit Wasser und Detergenzien nacheinander gereinigt: „Overall, the most effective washing-up system in the laboratory was removal of most food residue with detergent in bowl 1, finish washing with bleach until visibly clean in bowl 2, and a final rinse in drinkable water in bowl 3. This system has advantages over the established 3-bowl system by getting mess tins clean more easily, killing potentially harmful bacteria, and removing the smell and taste of disinfectant.” (Wilderness & Environmental Medicine Vol. 17, Issue 2, Pages 94-102, 2006)
Dieser Tipp ist schon für für Outdoor-Urlaub oder Feldeinsatz geeignet, für die meisten Urlaube dürfte dies zu weit führen.
Von ETEC bis Amöbenruhr
Einen besonders umfassenden und sachkundigen Abriss zum Thema „Reisedurchfall“ gibt PD Dr. Tomas Jelinek, Medizinischer Direktor des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedizin, im Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung: „Reisediarrhö: Urlaubslust statt Durchfallfrust“.
In den allermeisten Fällen – 30 bis 70 % – sei der Durchfall auf eine Infektion mit Toxin-bildenden enterotoxischen Escherichia coli –Bakterien (ETEC) zurückzuführen.
Jelinek erklärt die häufigsten Ursachen für Durchfallerkrankungen, gibt Empfehlungen für die Zusammenstellung der Reiseapotheke und Tipps zur Eigenmedikation in entlegenen Gebieten: „Es gibt eine Art Basisausstattung, die jeder in der Reiseapotheke haben sollte. Dazu gehört ein symptomatisches Mittel gegen den Durchfall. Wir favorisieren dabei Gerbstoff-haltige Präparate, etwa solche mit Tanninalbuminat. […] „Natürlich gehörten zur Basisausstattung auch Präparate zur Rehydratation.“
Dann diskutiert er die unterschiedlichen Medikamente mit den Wirkstoffen Loperamid und Tanninalbuminat-Präparate in Bezug auf ihre Wirkung und Unbedenklichkeit und empfiehlt generell: Wenn der Durchfall länger als drei Tage dauert, sollte man unbedingt ärztliche Hilfe aufsuchen.
Die oft empfohlene medizinische Kohle sieht er sehr kritisch: „Das, was wir uns von ihr erhofft haben, nämlich die Toxin-Adsorption, funktioniert nicht. […]“
Bei allen bis dahin genannten Krankheitsbildern kommen die Patienten ohne Antibiotika-Einsatz aus.
Erst wenn ein Durchfall blutig, sehr massiv und/oder mit Fieber einher geht, rät Jelinek zu einem Antibiotikum: „Dann sind Erreger wie Salmonellen oder Shigellen in die Darmschleimhaut eingedrungen und sorgen für ein invasiv-entzündliches Geschehen.“
Vor manchen Reisen rät er zu einer Cholera-Impfung. Gerade für Menschen mit geschwächtem Immunsystem – etwa kleinen Kindern oder älteren Menschen, ist diese Vorsorge ratsam und verhindert den größten Teil der Durchfallerkrankungen: „Die Schutzwirkung des Cholera-Impfstoffs beruht auf einer Kreuzprotektion gegenüber ETEC, den häufigsten Erregern der klassischen Reisediarrhöe. Zwischen den B-Untereinheiten des ETEC- und des Choleratoxins existiert eine hochgradige strukturelle und funktionelle Homologie. Deshalb können Antikörper gegen die B-Untereinheit des Choleratoxins auch die entsprechende B-Untereinheit des ETEC-Toxins erkennen und neutralisieren.“
Natürlich hat er auch die üblichen grundsätzlichen Ratschläge, wie Reisende einer Infektion am besten entgegenwirken können.
Falls Sie eine Reise nach Südeuropa oder in weiter entfernte Gegenden vorhaben, sollten Sie den Beitrag sehr aufmerksam lesen.
Eine gut ausgestatte Reiseapotheke und das richtige Verhalten können für Sie und Ihre Mitreisenden vor unschönen Reise-Überraschungen bewahren. Oder im Falle einer Erkrankung zumindest für schnelle Hilfe und schnelle Genesung sorgen.
Bettina Wurche