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Medizinstudium: Nuklearmedizin – Lehre, Diagnostik und Therapie

Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat eine intensive Diskussion um die gesundheitlichen Gefahren der Nutzung der Kernenergie in Gang gesetzt.
„PULS.“ hat dies zum aktuellen Anlass genommen, Herrn Prof. Dr. Grünwald, den Direktor der Klinik für Nuklearmedizin, zu interviewen.

Im Zentrum des Interviews standen zwei Themen:

  1. Wie sehen die Ausbildung und die berufliche Tätigkeit von NuklearmedizinerInnen aus?
  2. Was hat ein Nuklearmediziner mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima zu tun?

„PULS.“-Interview mit Herr Prof. Dr. Frank Grünwald:

„PULS.“: Herr Prof. Dr. Frank Grünwald, was ist das Tätigkeitsfeld eines Nuklearmediziners?“
F. G.: „Das Aufgabenfeld der Nuklearmedizin umfasst im weitesten Sinn die Untersuchung und Behandlung mit radioaktiven Stoffen. Wir unterscheiden die zwei Bereiche Diagnostik und Therapie.
Bei der Diagnostik wird eine schwach radioaktive Substanz vom Patienten aufgenommen, meistens wird sie gespritzt. Die Substanz selbst strahlt, so wird dann ihr Weg im Körper verfolgt. Ein solches Radiopharmazeutikum (Tracer) bildet Stoffwechselvorgänge und Organtätigkeit ab. In einer nuklearmedizinischen Therapie werden radioaktive Stoffe verabreicht, die sich dann am Zielort anreichern.“

„PULS.“: „Welche Diagnose-Methoden wenden Sie zurzeit an?“
F. G.: „Derzeit ist das PET-CT-Gerät die fortschrittlichste Diagnose-Methode. So können zwei Verfahren, PET (Positronen-Emissions-Tomografie) und CT (Computertomografie) in einer Untersuchung kombiniert werden. Die beiden Verfahren bilden unterschiedliche Strukturen des Körperinnern ab: Die PET macht Stoffwechselprozesse von Körperzellen sichtbar. Die CT zeigt die verschiedenen Gewebe wie Knochen und innere Organe. Durch die Kombination beider Verfahren können in einem Untersuchungsdurchgang  auch kleinste Tumorherde im Körper sichtbar gemacht werden.“

„PULS.“: „Gibt es Organsysteme, die für nuklearmedizinische Diagnose und Therapie besonders geeignet sind und daher auch besonders häufig  untersucht werden?“
F. G.: „Ja, die gibt es, denn manche Organe/Organsysteme können radioaktive Substanzen besser aufnehmen als andere. Die Schilddrüse ist ein in der Nuklearmedizin besonders wichtiges, weil häufig untersuchtes und therapiertes Organ. Dazu wird eine Schilddrüsen-Szintigraphie durchgeführt. In einer auffälligen Szintigraphie können dann z. B. heiße und kalte Knoten erkennbar werden.
Die nuklearmedizinische Therapie hat ihre beiden größten Tätigkeitsfelder in der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen und in der Onkologie. Wir führen hier im Jahr ungefähr 450 Schilddrüsen-Behandlungen durch, von denen 2/3 wegen gutartiger Erkrankungen erfolgen. Aber auch Nieren, Herz, Leber und Gehirn können entsprechend geeignete radioaktive Substanzen gut aufnehmen.“

„PULS.“: „Sie arbeiten mit radioaktiven Substanzen. Gibt es auf ihrer Station besondere Vorkehrungen zum Strahlenschutz? Etwa besondere Schutzmaßnahmen für schwangere Ärztinnen bzw. Studentinnen?“
F. G.: „Natürlich gibt es die. Zunächst einmal ist unsere Station deshalb geschlossen. Die Ärzte, die hier arbeiten, sind mit Dosimeter und Plakette ausgestattet, diese Werte können jederzeit abgelesen werden und werden außerdem monatlich amtlich ausgewertet.
Die radioaktiven Substanzen werden natürlich in sehr geringer Menge eingesetzt, außerdem wird die Behandlungsdauer der „strahlenden“ Patienten möglichst stark eingegrenzt. Etwa, indem man alle zeitintensiven Beratungen und Aufklärungsgespräche mit den Patienten vorher durchgeführt hat.
Manche Strahlungsarten haben eine geringe Reichweite. In jedem Fall sollte kann man einen gewissen körperlichen Abstand halten. Das in der Radiojodtherapie bei Schilddrüsenerkrankungen eingesetzte Jod-131 verursacht einen Beta-Zerfall mit einer sehr geringen Reichweite, die zur Energiefreisetzung im erkrankten Gewebe führt, während Nachbarorgane geschont werden.  Außerdem  tritt Gamma-Strahlung auf, vor der man sich durch Abstand und kurze Aufenthaltszeiten schützen muss.
Auch wenn für schwangere Ärztinnen und Studentinnen im Kontrollbereich keine akute Gefahr besteht, werden sie dort nicht eingesetzt.“

„PULS.“: „Sie sprechen von der Diagnose und Therapie von Krankheiten in sehr unterschiedlichen Organsystemen. Die Arbeit der Nuklearmediziner scheint viele Berührungspunkte mit sehr unterschiedlichen anderen Fachdisziplinen zu haben?“
F. G.: „Nuklearmedizin ist, wie auch die Radiologie, ein hochgradig interdisziplinäres Fachgebiet, wir müssen uns mit vielen Organsystemen auskennen. Gerade diese Interdisziplinarität macht die Nuklearmedizin für mich besonders interessant.“

„PULS.“: „Wie sieht es im Fach Nuklearmedizin mit der Lehre aus? Aus welchen Fachrichtungen kommen Ihre Studierenden?“
F. G.: „Wir bieten Vorlesungen und Seminare zum Teil mit einem einwöchigen Praktikum an, sowohl für Physiker als auch für Mediziner. Physik gehört natürlich dazu, aber es reichen erst einmal die Grundkenntnisse auf dem Stand des Abiturwissens. Das Fach durchläuft eine starke und schnelle technische Entwicklung, hier sind viele Doktorarbeiten zu vergeben. Ich freue mich über das Interesse der Studierenden. Von der Physik sollte man sich keinesfalls abschrecken lassen.“

„PULS.“: „Welche beruflichen Perspektiven haben angehende NuklearmedizinerInnen zur Zeit zu erwarten?“
F. G.: „ Die Anzahl der Studierenden, die sich für Nuklearmedizin interessieren, ist steigend. Fachärzte für Nuklearmedizin können sich zurzeit noch frei niederlassen, es gibt keine Zulassungsbeschränkungen. Daher sind diese Fachärzte im Moment sehr gefragt!“

„PULS.“: “Welchen Einfluss haben Reaktorkatastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima auf Ihre Tätigkeit als Nuklearmediziner? Hat sich dadurch etwas verändert?“
F. G.: „Die Rolle der Nuklearmediziner hat sich durch die Ereignisse in Tschernobyl und Fukushima nicht verändert. Diese Auswertung der Langzeiteffekte dieser Ereignisse fallen eher in den Bereich der Strahlenbiologen.“

Bettina Wurche

„PULS.“ dankt Herrn Prof. Dr. Grünwald für das Gespräch.
Das Interview führte Bettina Wurche.

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