Was bedeutet ein “Modellstudiengang Medizin” für Lehrende und Studierende?
Und was hat ein Schwein im Medizinstudium zu suchen?
Das Medizinstudium ist i. d. R. in einen vorklinischen und klinischen Studienabschnitt unterteilt, die sich in Inhalt und Organisation extrem stark voneinander unterscheiden:
Im stark verschulten vorklinischen Studienabschnitt werden die grundlegenden Kenntnisse von Anatomie und Physiologie und den naturwissenschaftlichen Grundlagen vermittelt. Im klinischen Studienabschnitt geht es dann weiter zu den einzelnen medizinischen Fachdisziplinen. Hier gibt es dann auch sehr viel mehr Praxisnähe zum späteren Arztberuf, nicht zuletzt durch die Famulatur und das PJ. Die Studierenden müssen im klinischen Studienabschnitt wesentlich selbständiger arbeiten und ihr Studium selbst organisieren. Beide Studienabschnitte sind extrem unterschiedlich, viele Studierende sind durch den plötzlichen Wechsel irritiert.
Die mangelnde Praxisnähe des Medizinstudiums und die schlechte oder fehlende Verzahnung des klinischen mit dem vorklinischen Studienabschnitt sind vielfach kritisiert worden, daraufhin entstand 1999 der erste Reformstudiengang an der Berliner Charité.
Der Modellstudiengang an der Universität Witten/Herdecke (seit 2000) beinhaltet etwa eine vorklinische Ausbildung in kleinen Lerngruppen nach dem POL (ProblemOrientiertes Lernen) und eine klinische Ausbildung mit dem Schwerpunkt “Bedside teaching” in den Kliniken (http://de.wikipedia.org/wiki/Studium_der_Medizin; Stand vom 06.05.2012). Praxisorientierte und aktivierende Lernmethoden wie etwa POL, bedside teaching oder Rollenspiele für das Erlernen des Umgangs mit Patienten sind in den letzten Jahren zunehmend auch in den klassischen Studiengängen eingeführt worden.
Der Aachener Modellstudiengang: Organzentriertes Lernen
Im Aachener Medizinstudium ist es zu einer grundsätzlichen Neuordnung der Studieninhalte gekommen:
„Kernpunkt des Aachener Modells ist durch Neuordnung des Unterrichtes und der Lerninhalte anstelle des klassischen fachzentrierten ein organzentriertes Lehren und Lernen zu ermöglichen. Durch eine interdisziplinäre, auf das Organ bzw. das System fokussierende Strukturierung des Lernstoffes hoffen wir, mehr Verständnis für den menschlichen Körper, seinen Bau, seine Funktionen, die Möglichkeiten seiner Fehlfunktionen und daraus resultierende Erkrankungen zu wecken. […] Auf diese Art und Weise werden theoretisches Basiswissen und klinische Anwendung gleichmäßiger über das ganze Studium verteilt – die Vorklinik/Klink-Grenze ist aufgehoben.“
Diese Neuordnung führt zu einer interdisziplinären Vernetzung des Studiums, dazu muss die gesamte Lehre neu durchdacht werden.
Der ZEIT-online-Bericht „Erste Hilfe: Das Medizinstudium befindet sich im Umbruch – in Aachen ist man schon weiter“ gibt einen Einblick in das Aachener Medizinstudium und lässt Dozenten und Studierende zu Wort kommen.
Bettina Wurche