Artikelformat

Medizinstudium: Deutschland-Stipendiat Andreas Böhmer im Interview

Auch in diesem Jahr sind wieder Deutschlandstipendien vergeben worden. Das Stipendium wird je zur Hälfte vom Staat und von privaten Spendern getragen. Die privaten Spender sind Firmen, Familien und Einzelpersonen, die sich gerade in Frankfurt am Main besonders großzügig gezeigt haben – die Goethe-Uni hat für 2012 382 Stipendien im Gegenwert von fast 1,4 Millionen Euro einwerben können.
http://news.feed-reader.net/121732-goethe-uni.html#8137650
Damit ist Frankfurt bei diesen von Privatleuten und Firmen gestifteten Stipendien einer der Spitzenreiter.

„PULS.“ bringt wieder Exklusiv-Interviews mit einigen der glücklichen Stipendiaten.

„PULS.“-Interview mit Andreas Böhmer, 1. Semester, 19 Jahre alt:
„PULS.“: „Hallo Herr Böhmer, herzlichen Glückwunsch zum Stipendium!
Sie haben das Medizinstudium gerade erste begonnen: Wie haben Sie denn von dem Stipendium erfahren und wann haben Sie die Zusage dafür bekommen?“

A. B.: „Ich hatte auf Facebook davon erfahren und mir dann daraufhin die Internet-Seite dazu angesehen. Meine Stipendien-Bewerbung habe ich erst recht spät abgegeben und dann Ende Oktober erfahren, dass ich es bekomme. Für die Studienplanung war das natürlich zu spät. Aber ich wohne noch zu Hause, dadurch benötige ich nicht so viel Geld.“

„PULS.“: „Was bedeutet diese Förderung für Sie konkret?“
A. B.: „Die Finanzierung meines Studium erfolgt vor allem über meine Eltern, daneben arbeite ich natürlich auch. Den größten Teil des Stipendiums, das ja quartalsweise ausgezahlt wird, kann ich erst einmal zurücklegen, für größere Ausgaben, die jetzt noch nicht vorhersehbar sind. Es ist eine Entlastung für meine Eltern und ein wichtiges finanzielles Polster für mich, etwa für spätere Auslandsreisen.

„PULS.“: „Warum haben Sie sich für das Medizinstudium entschlossen? Gibt es da eine familiäre Vorbelastung?“
A. B.: „Ich bin der erste in meiner Familie, der Medizin studieren wollte – meine Mutter ist Lehrerin und mein Vater, wie die meisten Männer in der Familie, Ingenieur.
Ich bin als Kind einige Zeit im Krankenhaus gewesen und war beeindruckt von der Routine, mit der dort Menschen geholfen wurde.
Und dann habe ich in der Schule einen tollen Bio-LK-Lehrer gehabt! Wir hatten im Unterricht Immunologie und andere Themenbereiche, die ja schon medizinrelevant sind. Er hat mich und drei weitere sehr gute Schüler unglaublich stark gefördert und uns direkt auf ein Medizinstudium angesprochen. Von ihm habe ich auch ein Empfehlungsschreiben für das Deutschlandstipendium bekommen.
In der 10. Klasse konnte ich am XLab in Göttingen teilnehmen. Da habe ich vor allem die Bio-Kurse belegt, in denen viele medizinische Aspekte enthalten waren, wie Immunologie und Anatomie. Im Anatomie-Kurs haben wir an einem Schweinherzen gearbeitet und jetzt im Studium wurde mir bewusst, wie ähnlich ein Menschenherz aussieht.“

„PULS.“: „Wie haben Sie sich über das Studium informiert?“
A. B.: „Ich war von der Schule aus beim Infotag für das Medizinstudium in Gießen, dort wurden uns viele Informationen zum Studium und zur Studienbewerbung gegeben. Aus persönlichen Gründen habe ich mich dann allerdings für meine erste Wahl: Frankfurt entschieden.”

„PULS.“: „Arbeiten Sie neben dem Studium?“
A. B.: „Ja, ich trainiere eine Volleyball-Jugendmannschaft von 13- bis 14-Jährigen und übersetze für die Stiftung „Marburger Medien“ Texte vom Portugiesischen ins Deutsche. Da haben wir gerade einige Texte für Kinder in Arbeit. Meine Mutter ist Brasilianerin, darum spreche ich sehr gut Portugiesisch.“

„PULS.“: „Wie organisieren Sie Studium und Arbeit?“
A. B.: „Ich kann mir die Arbeit gut einteilen, gerade jetzt vor den Klausuren ist natürlich unglaublich viel zu lernen. In der Schule musste ich, gerade in der Oberstufe, aber auch immer viel lernen, das habe ich einfach so beibehalten. Ich glaube, wenn man gerade in den Anatomie-Kursen nicht von Anfang an mitlernt und wiederholt, kommt man schnell in Schwierigkeiten. Es ist einfach sehr, sehr viel – aber mit meiner persönlichen Lernmethode komme ich gut mit.“

„PULS.“: „Wie sieht Ihre Lernmethode denn aus?“
A. B.: „Die Zeit ist zu knapp, um alles Wichtige ´rauszuschreiben, darum lerne ich einfach nur durch Wiederholen. Dazu sitze ich eben ein paar Stunden in der Bibliothek, wenn der Baustellenlärm nervt, benutze ich Ohropax. Außerdem habe ich jeden Tag eine Stunde Zugfahrt pro Wegstrecke, die ich auch zum Wiederholen nutze. Und zum effektiven Lernen der anatomischen Begriffe baue ich mir Merksätze und Eselsbrücken, das klappt gut.“

„PULS.“: „Was halten Sie vom Mediziner-Campus?“
A. B.: „Der Campus Frankfurt gefällt mir, allein schon, weil hier der ganze Fachbereich Medizin auf einem Fleck ist. Die Baustellen nerven natürlich schon, aber wenn die fertig sind, wird es hier bestimmt gut. Die Gebäude sind unglaublich futuristisch. Natürlich gefällt mir der Campus Westend viel besser, das ist ein traumhaftes Gebäude, fast wie die großen, berühmten Universitäten in den USA. Aber man sollte nicht vergessen, dass wir hier ein Universitätsklinikum haben, das den Campus prägt.
Die Architekturpläne des neuen KOMM gefallen mir unglaublich gut, darauf freue ich mich schon richtig.
Ich finde es auch wirklich gut, dass wir ein so großer Jahrgang sind. Man kann hier viel mehr Leute als noch in der Schule kennen lernen. Und dann ist da natürlich noch die sehr gute Verkehr Anbindung an die Straßen- und Regionalbahn. Vor allem aber die Straßenbahnen mit ihren zwei bzw drei Haltestellen.“

„PULS.“: „Als Deutschlandstipendiat erhalten Sie zusätzlich zu der finanziellen Unterweisung auch ein spezielles Mentorenprogramm. Was beinhaltet dieses Programm? Und: wissen Sie, wer Ihr Stipendiengeber ist?“
A. B.: „Wir treffen uns erst nächste Woche mit unserer Tutorin, darum kann ich jetzt noch nicht viel dazu sagen. Der Spender meines Stipendiums wollte offenbar anonym bleiben. Einige andere Stipendiaten hatten Informationen in ihren Unterlagen, woher ihre Fördergelder stammen, aber wir Humanmedizin-Studierenden wissen alle nicht, wer unsere Stipendien gestiftet hat.“

„PULS.“: Bleibt Ihnen neben dem Studium und der Arbeit auch noch Zeit für andere Dinge? Sie hatten ja schon erwähnt, dass Sie Sport trieben…“
A. B.: „Ja, das Volleyballspielen ist mir wichtig! Ich spiele im Moment noch in der Oberliga des SG Rotheim (das ist bei Friedberg), trainiere aber schon in der 3. Bundesliga mit, so dreimal die Woche. Da möchte ich dann auch bald spielen. Dazu kommt noch einmal wöchentlich das Training der Jugendmannschaft. Und die Spieltage an den Wochenenden, aber da kann ich nebenbei auch manchmal lernen.
Dann bin ich noch in der Kirche aktiv: Ich kümmere mich in der Evangelischen Freikirche in Hanau um die musikalische Jugendarbeit. Da organisiere ich etwa das Musikteam. Mein wichtigstes Instrument ist die Gitarre, e- und akustisch, dazu kommt noch etwas Schlagzeug.“

„PULS.“: „Haben Sie schon ein medizinisches Lieblingsgebiet?“
A. B.: „Kardiologie und Sportmedizin interessieren mich jetzt schon total.
Mein zweimonatiges Krankenpflegepraktikum habe ich in Rio de Janeiro (Brasilien) gemacht. Seitdem habe ich noch viel mehr Respekt vor der Leistung der Schwestern und Pfleger, die so viele essentielle Aufgaben erledigen. In der Zeit hatte ich auch schon viele Kontakte mit Ärzten – Kardiologen, Anästhesisten, Onkologen – und durfte sogar bei einer Herz-OP dabei sein. Die Ärzte haben mir sooo viel erklärt zu Herzchirurgie, OP-Techniken und dem Herzen an sich und mich in meinem Entschluss für die Kardiologie noch einmal bekräftigt.
Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, würde ich Kardiologe werden. Aber ist stehe ja noch ganz am Anfang des Studiums und möchte das jetzt erst einmal auf mich zukommen lassen.
Es war auch interessant, das Gesundheitssystem eines anderen Landes kennen zu lernen: In Brasilien gibt es eine generelle Krankenversicherung in einer Einheitskrankenkasse. Die Versicherungsleistungen sind allerdings nicht gut. Darum versichern sich Menschen, die es sich finanziell erlauben können, lieber privat.“

„PULS.“ bedankt sich bei Herrn Böhmer für das Interview.
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.

Bettina Wurche

 

Kommentare sind geschlossen.