Herr Dr. Frank Bonzelius hat in diesem Jahr den Lehrpreis für besonderes Engagement in der Lehre (Vorklinik) für seine Veranstaltung „Biologie für Mediziner I“ erhalten.
Die Preisverleihung fand im würdigen Rahmen des Dies academicus statt, „PULS.“ hatte bereits darüber berichtet („Campusleben: Dies academicus 2011 – Nachlese“).
Im „PULS.“-Interview erzählt er über seine Einstellung zur Lehre, wie Neue Medien über Generationen hinweg die Wahrnehmungen und Anforderungen der Studierenden verändern und warum ihm die Arbeit als Dozent viel Spaß macht.
„PULS.“-Interview mit Herrn Dr. Frank Bonzelius
„PULS.“: „Herr Dr. Bonzelius, noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Lehrpreis!. Waren Sie davon überrascht?“
F. B.: „Ja, natürlich. Ich wurde von den Studierenden für den Lehrpreis vorgeschlagen, und bin dann gebeten worden, ein Portfolio meiner Lehrveranstaltung anzufertigen. Das Portfolio ist die Entscheidungsgrundlage für die Preisverleihung. Da ich generell aber nicht mit einer ausgewählten Veranstaltungen vorgeschlagen worden bin, habe ich dann selbst eine Veranstaltung ausgewählt:„Biologie für Mediziner I“. Ich habe Spaß an Vorlesungen und anderen Kursen, die „Biologie für Mediziner“ lese ich auch nach 10 Jahren immer noch gern. Es ist für mich kein Problem, eine Vorlesung jedes Jahr wieder zu lesen, schließlich aktualisiere und optimiere ich sie über die Jahre hinweg.“
„PULS.“: „Was genau beinhaltet die Veranstaltung und wie ist sie aufgebaut?“
F. B.: „Biologie für Mediziner“ ist eine Kombination aus klassischer Vorlesung und einem dazugehörigen Praktikum, die Herr Prof. Boles und ich gemeinsam durchführen. Für mich ist das der Kurs, den ich schon am längsten unterrichte, seit 1997/98. Die Veranstaltung, mit den thematischen Schwerpunkten Zellbiologie und Humangenetik, findet im 1. Semester statt. Herr Prof. Boles liest dann im darauffolgenden Sommersemester den 2. Teil zu den Themen Mikrobiologie und Molekulargenetik. Vor allem der Abschnitt über Zellbiologie ist eng verbunden mit der Biochemie, an deren Vorlesung im Folgesemester ich ebenfalls beteiligt bin, es ist schon fast ein Schnupperkurs dafür. Dieser enge Zusammenhang der beiden Veranstaltungen ist ein Glücksfall, denn so kann ich meinen Teil der Biochemie-Vorlesung auf den in der Zellbiologie schon vermittelten Grundlagen didaktisch sehr gut aufbauen. Ich weiß eben, was ich schon erzählt habe und was noch fehlt. Das ist sowohl für die Studierenden als auch für mich sehr vorteilhaft.“
„PULS.“: „Wie nutzen Sie die Neuen Medien in Ihren Lehrveranstaltungen? Und in welchem Maße haben Sie in der Veranstaltung „Biologie für Mediziner“ Neue Medien eingesetzt? Aus einer Veranstaltung im Rahmen des Fachforums „Beyond eLearning an unserem Fachbereich erinnere ich mich, dass Sie ein Virtuose mit dem Smartboard sind.“
F. B.: „Die Technik der Neuen Medien muss passgenau eingesetzt werden, eine Veranstaltung muss spezifisch konzipiert und durchgeführt werden. Das heißt, dass, wenn ich eine Vorlesung mit Powerpoint halte, ein anderes Konzept nötig ist, als wenn ich eine Veranstaltung vollständig auf dem Smartboard durchführe. Einen Powerpoint-Vortrag einfach auf das Smartboard zu projizieren, würde keinen Sinn ergeben.“
„PULS.“: „Wie führen Sie neue Techniken und Methoden in die Veranstaltungen ein?“
F. B.: „In der Wahlpflicht-Veranstaltung „Leben und Leiden“, die als unterhaltsamer Einstieg in die Biochemie konzipiert ist, konnte ich verschiedene multimediale Techniken mit klassischen Präsentationsformen vergleichen und habe dabei viel Erfahrung für andere Veranstaltungen gesammelt. Durch die Rückmeldungen der Studierenden in der Evaluierung kann man ganz gut einschätzen, welche Medien die Inhalte gut transportieren und von den Studierenden als didaktisch hilfreich empfunden werden.
Dabei haben wir gelernt, dass Studierende eine klassische Lesung in hervorragender Qualität aufgrund der fehlenden audiovisuellen Unterstützung schlecht benoten. Wir hatten zwei hochkarätige Dozenten: Den preisgekrönten internationalen Autoren Peter Härtling und den Darmstädter Komponisten Hans-Ulrich Engelmann.
Herr Härtling hielt eine Lesung aus seinem Buch „Schumanns Schatten“ über den Komponisten Robert Schumann, während Herr Engelmann über den Philosophen Friedrich Nietzsche sprach. Beide hielten begnadete Wortvorträge ohne multimedialen Einsatz. Beide Dozenten waren wirklich hervorragend, trotzdem wurden sie von den Studierenden nicht sehr gut bewertet. Daran konnten wir deutlich erkennen, dass eine multimediale Verpackung von Inhalten heute einfach erwartet wird. Das müssen wir für die Entwicklung von Lehr-Konzepten sehr ernst nehmen und unbedingt berücksichtigen.”
„PULS.“: „Sie haben mehrfach angesprochen, dass von heutigen Studierenden in den Vorlesungen ein hoher multimedialer Anspruch besteht. Wie erklären Sie diese veränderte Haltung und wie reagieren Sie darauf?“
F. B.: „Die Prägung der Neuen Medien ist in den jüngeren Generationen viel stärker als je zuvor. Durch diese Prägung hat sich auch die Wahrnehmung verändert: das Empfinden für Reiz und Reizflut ist definitiv anders als bei älteren Generationen. Durch ständige multimediale Reizfluten in hoher Geschwindigkeit liegt z. B. die Schwelle, ab wann ein Reiz als stimulierend empfunden wird, heute viel höher, als es zu unserer eigenen Studienzeit war. Wir sollten diese Veränderungen in der Lehre unbedingt berücksichtigen, wenn wir unsere Inhalte nachhaltig vermitteln wollen. Dazu muss man sich als Dozent auch ein Stück von seinem eigenen Weltbild lösen können.“
„PULS.“: „Wie halten Sie die Aufmerksamkeit Ihrer ZuhörerInnen? Wie unterhaltsam darf eine Lehr-Veranstaltung sein?“
F. B.: „Ich halte es für nützlich, punktuell „Show-Effekte“ einzusetzen, um die Inhalte einer Vorlesung besser zu transportieren. Das ist eine Gratwanderung, denn es muss natürlich im Rahmen bleiben. Etwas eingestreute Selbstironie etwa hält die Studierenden aufmerksam. In Doppelstunden muss man besonders darauf achten, dass die Aufmerksamkeit bis zum Schluss wach bleibt. Und dass die Anzahl der Zuhörer über das Semester möglichst gleich bleibt.
Manche Themen sind an sich etwas sperrig – umfangreicher Stoff, komplex und besonders anspruchsvoll. Die lassen sich dann weniger locker `rüberbringen. Da kann es schon mal passieren, dass während der Veranstaltung Leute aufstehen und gehen. Und zum nächsten Termin kommen dann auch glatt 20 Leute weniger. Bei einem so großen Auditorium ist das glücklicherweise die Minderheit, aber es fällt mir eben doch auf. Normalerweise kommen zum Beginn des Semesters etwa um die 500 Studierenden, zum Ende des Semesters sind es dann vielleicht noch 350. Man merkt auch sehr genau, wann die Anforderungen in den anderen Fächern steigen: Während der Abschlussklausuren in Anatomie sinkt die Anwesenheit in meiner Vorlesung beträchtlich, nach Weihnachten steigt sie dann aber auch wieder.“
„PULS.“: „Hatten Sie in Ihrer Studienzeit Hochschullehrer, die Ihnen heute als Vorbild dienen und Sie für die Lehre begeistert haben?“
F. B.: „Ja, da fällt mir vor allem mein Pharmakologie-Dozent Herr Prof. Mutschler ein. Ich hatte Pharmakologie als Nebenfach belegt und mich auf seine Vorlesungen immer richtig gefreut – die waren so gut wie ein Theaterbesuch. Obwohl die Veranstaltungen immer erst um 17:00 Uhr, also relativ spät, stattfanden, war sie voll. Auch Leute von anderen Fachbereichen kamen noch dazu. Prof. Mutschler hatte soviel Engagement und Begeisterung, dass es einfach ansteckend wirkte. Gern reicherte er die Fakten mit Anekdoten an, so kam es zu einer ausgezeichneten Lernatmosphäre. Dadurch habe ich sehr viel und auch besonders nachhaltig gelernt, an manche der Vorlesungen erinnere ich mich heute noch.
Herr Prof. Mutschler war vor einigen Jahren auch mal bei der Summer School als Gastredner dabei.“
„PULS.“: „Wie schafft man eine gute Lernatmosphäre? Was benötigt man dafür?“
F. B.: „Durch jahrelange Lehr-Erfahrung wird man entspannter und kann dann souveräner agieren. Diese gewisse Lockerheit überträgt sich auf die Studierenden und lässt sie die Inhalte leichter aufnehmen. Inhaltlich war auch meine erste Vorlesung bestimmt schon in Ordnung, aber ich konnte noch nicht so locker sprechen wie heute, weil mir einfach die Erfahrung fehlte. Durch eine entspannte Ansprache des Auditoriums baut man Distanz ab, es ist für die Zuhörer dann einfacher, Fragen zu stellen. Ich empfinde es heute auch als nicht mehr unangenehm, wenn ich eine Frage mal nicht direkt beantworten kann. Ich gebe das dann offen zu und bringe die Antwort zur nächsten Vorlesung mit. Dadurch, dass ich zugestehe, nicht perfekt zu sein, kann ich Distanz überwinden. Es ist sehr wichtig, Studierende als gleichberechtigte Gesprächspartner zu behandeln und sie ernst zu nehmen. Dadurch schaffe ich eine Vertrauensbasis, um Fragen zu stellen. Auch die Wahl der Sprache ist wichtig: Eine Vorlesung darf und sollte lockerer gesprochen werden als eine wissenschaftliche Publikation geschrieben wird. Dadurch können auch komplexe Inhalte beim Zuhören besser aufgenommen werden.
In der Summer School wird das noch offensichtlicher: Durch das gemeinsame Arbeiten, Wohnen und Essen werden Hierarchien recht schnell überwunden. Die Studierenden schätzen es, dass sie zu allen Zeiten alle möglichen Fragen stellen konnten. Dadurch kann man sehr intensiv und effektiv lernen.
Ich signalisiere meine Ansprechbarkeit übrigens auch dadurch dass ich keine festen Sprechzeiten habe, sondern grundsätzlich immer bereit bin, einen Gesprächstermin zu vereinbaren.“
„PULS.“: „Wo endet Ihre Toleranz?“
F. B.: „Beim Telefonieren. Ich finde es sehr respektlos, wenn Studierende in Vorlesung oder Praktikum telefonieren. Wenn jemand gedanklich wegdriftet, ist das o. k. Aber das Desinteresse an einer Veranstaltung sollte nicht so offen demonstriert werden.“
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.
„PULS.“ bedankt sich bei Herrn Dr. Bonzelius für das engagierte Interview.
Bettina Wurche