Prof. Dr. med. Thomas Klingebiel ist der Direktor und Lehrbeauftragter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Darüber hinaus ist er als Prodekan Mitglied des Fachbereichsvorstands und für die Forschung zuständig.
puls.: „Herr Prof. Klingebiel, Sie sind sowohl der Direktor als auch der Lehrbeauftragte der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Diese Doppelfunktion ist ungewöhnlich. Warum haben Sie sich dafür entschieden?“
T. K.: „Als ich hier vor 13 Jahren anfing, wollte niemand das Amt des Lehrbeauftragten übernehmen. Darum habe ich es dann selbst gemacht – seitdem haben wir die Ausbildung für die Kinderheilkunde vollständig reformiert und im November 2006 dann auch den Preis für Exzellente Lehre dafür erhalten. Seitdem arbeite ich im Bereich Lehre eng mit Herrn Dr. Wittekindt zusammen, er nimmt mittlerweile die wesentlichen Aufgaben des Lehrbeauftragten wahr.
Lehre ist wichtig, sie sollte auch an der Spitze des Instituts beheimatet sein!“.
puls.: „Warum haben Sie sich für noch nicht erwachsene Patienten entschieden?
Was ist das Besondere an der Arbeit mit Kindern oder Jugendlichen als Patienten?“
T. K.: „Ich habe eine Ausbildung in der Pathologie gemacht, speziell in der Pädo-Pathologie. Das hat mein Interesse geweckt und ich ging dann weiter in die Kinder-Onkologie. Ich habe 1980 mein Examen gemacht, in den 80-er und 90-er Jahren kam es in der Kinderheilkunde zu faszinierenden Umwälzungen und neuen Erkenntnissen: Auf einmal wurden Krankheiten, die bis dahin unheilbar waren, heilbar!
Dieser medizinische Fortschritt innerhalb relativ kurzer Zeit war faszinierend!
Was mich an der Kinderheilkunde damals und auch heute noch beeindruckt, war und ist der unmittelbare Zugang zum Patienten. Mein damaliger Chef hatte sich nämlich dafür eingesetzt, mit den krebskranken Kindern direkt zu sprechen. Das machte man damals noch nicht. Das war der Abschied vom paternalistischen Arztbild.
Es war eine ungeheuer aufregende Zeit – die medizinischen Fortschritte und die neuartige Patientenkommunikation.“
puls.: „Was genau hat den medizinischen Fortschritt damals ausgemacht? Waren es neue Medikamente oder Technologien?“
T. K.: „Krebs wurde damals heilbar durch die Kooperation auf breiter nationaler Ebene und den Aufbau von Klinik-Netzwerken in ganz Deutschland!
Therapien und Therapieerfolge wurden evidenzbasiert dokumentiert und kommuniziert, so dass alle auf diese Erfahrungen zurückgreifen konnten. Man beharrte nicht mehr darauf, auf der eigenen Station nach eigenen Vorstellungen zu behandeln, sondern versuchte die Optimierung der Therapie durch konsequente Kommunikation untereinander. In ganz Deutschland gab es Schwerpunkte für Krankheiten, in denen Spezialwissen vorhanden war. Krebserkrankungen bei Kindern gehören zu den seltenen Krankheiten, die kann man nur dann erfolgreich behandeln, wenn man sich zusammenschließt.
Das Behandlungsprinzip der Therapie-Optimierung durch nationale Protokolle hat in der pädiatrischen Onkologie den Durchbruch gebracht!
Nicht die Entwicklung neuer Medikamente oder Technologie, sondern die konsequente Kommunikation und der Austausch. Auch wenn ich ausländische Delegationen berate, gebe ich ihnen diese Empfehlung zur Kommunikation. Und meistens ist das auch genau der Punkt, der noch nicht optimal umgesetzt wird.
Diese Kommunikation ist gerade innerhalb der Pädiatrie entscheidend – nur interdisziplinäre Arbeit führt zur Heilung. Pädiater, Chirurgen, Strahlentherapeuten und viele andere Ärzte müssen hier sehr eng zusammen arbeiten. Die pädiatrische Onkologie ist sehr stark evidenzbasiert, die Therapien sind standardisiert – ohne den Patienten dabei aus den Augen zu verlieren.“
puls.: „Was erwartet einen PJ-ler in der Kinderklinik?“
T. K.: „PJ-ler werden überwiegend von den Stations- und Oberärzten betreut, sie sind natürlich auch bei der Visite dabei. Sie erledigen Aufgaben, die sie allein bewältigen können und nehmen allgemein am Stationsalltag teil – dazu gehören auch Tätigkeiten wie Blutabnehmen oder Punktionen unter der nötigen Supervision.
Außerdem haben wir noch spezifische Unterrichtsveranstaltungen für PJ-ler:
- Mittagsbesprechung
- Freitags-Röntgenbesprechung
- Dienstags: Neo-Visite auf der 14-2 (Prof. Schlößer)
- Dienstags: Hämatologie-Onkologie (Dr. Bochennek)
- Donnerstags: Fallseminar (Prof. Bader)
- Ab Ende März: Journal-Club alle 2 Wochen (Prof. Klingebiel)
- 1 x pro Tertial: Notfall – und Reanimationsübung am Simulator (B. Wittekindt)
- Für die gesamte Uniklinik macht Herr Prof. J. Schulze ein Fallseminar, an dem auch die PJ-ler teilnehmen können.
Das PJ-Logbuch für die Kinderklinik ist fertig und wird bereits ausgegeben.
(pdf: PJ_Logbuch_Uni_17_01_2014).
Dazu bekommen unsere PJ-Kandidaten und alle anderen Studierenden eine umfassende Unterweisung mit allgemeinen Verhaltensregeln. Dabei geht es um Verhalten am Patienten-Bett, Datenschutz und Schutz der Persönlichkeitsrechte, Hygiene-Vorschriften und das korrekte Verhalten gegenüber Patienten und Angehörigen. Außerdem müssen PJ-ler den Anweisungen des gesamten medizinischen Personals, also auch des Pflegpersonals, auf der Station Folge leisten. Genaue Abgrenzungen sind wichtig zur Vermeidung von Behandlungsfehlern, bei denen Studenten beteiligt sind und zur Erhöhung der Patientensicherheit im Universitätsklinikum.”
puls.: „Zurzeit gibt es eine heftige Diskussion darüber, wie viel Verantwortung PJ-ler übernehmen dürfen oder sollen. Der Tod eines Säuglings durch einen Behandlungsfehler eines PJ-Studierenden hatte diese Diskussion ausgelöst.
Wie viel Verantwortung tragen Ihre PJ-ler?“
T. K.: „Daraufhin haben wir natürlich auch noch einmal diskutiert…
Zunächst einmal dürfen PJ-ler gar nicht intravenös spritzen.
Dann haben wir jetzt unterschiedliche IV und Oral-Zugänge, so dass solche Verwechslungen völlig ausgeschlossen sind. Das war ein zusätzlicher Aufwand, aber wir halten es für wichtig.
In der Unterweisung sagen wir noch einmal sehr deutlich, wo die Handlungsspielräume der PJ-ler enden. Diese Unterweisung wird bald auch als Handreichung schriftlich ausgegeben, sie ist gerade noch in der Abstimmung.“
puls.: „Was empfehlen Sie Studierenden für ein erfolgreiches PJ?“
T. K.: „Ich empfehle: Denken angewöhnen! Wenn man auf ein Problem oder eine Frage stößt, sollte man auch die Antwort darauf suchen. Dabei kann es sich um eine Krankheit handeln, von der man noch nie gehört hat, oder ein Verfahren. Oft kann man nicht sofort nach der Lösung suchen, dann muss man sich vielleicht eine kleine Notiz machen und der Frage später auf den Grund gehen.
Man muss eine Kultur des ständigen Lernens entwickeln!
Das sage ich auch immer in den Vorlesungen oder bei Visiten.“
puls.: „Was halten Sie von Studientag und PJ-Aufwandsentschädigung, und welche Möglichkeiten haben PJ-ler zum selbständigen Lernen in der Kinderklinik?“
T. K.: „Das Dekanat wird die Regelung zum Studientag und zur Aufwandsentschädigung demnächst bekannt geben.
Grundsätzlich haben wir in der Kinderklinik leider zu wenige Räume, die auch den PJ-lern zur Verfügung stehen. Dieses Manko konnten wir bisher nicht beheben, fast alle Räume sind ohnehin schon mehrfach belegt. Eigentlich bräuchten wir ein neues, größeres Gebäude…
Von dem Lehrpreis haben wir zumindest eine Bibliothek einrichten können, so dass die PJ-ler dort in Ruhe lernen können. Durch den neuen Forschungsbau bekommen wir etwas Platz dazu, da wird zum Beispiel ein Seminarraum eingerichtet.“
puls.: „Herr Prof. Klingebiel, Sie sind als Prodekan für die Forschung an unserem Fachbereich zuständig und damit auch für Promotionen. Wann ist die richtige Zeit im Medizinstudium für eine Promotion?“
T. K.: „Die Promotion ist wichtig, damit die Studierenden ihre Begeisterung für Forschung entdecken können. Das Dekanat bemüht sich, sinnvolle Promotionen im Studium weiterhin zu ermöglichen. Eine Promotion im Bereich Medizin kann eigentlich nur während des Studiums stattfinden, später geht es kaum noch. Für den Arzt in seiner Praxis ist es nahezu unmöglich.
Wir unterstützen sie dabei mit dem Promotionskolleg, das sehr gut angenommen wird. Mit der Promotionsvereinbarung kommt eine Planungssicherheit für den Studierenden und den Betreuer hinzu, darin werden Thema, Umfang und Zeitraum präzise festgelegt. Zur finanziellen Absicherung kommt noch das Promotionsstipendium dazu, das je zur Hälfte vom Dekanat und der betreuenden Einrichtung aufgebracht wird. Dann kann der Promotionskandidat ein Freisemester nehmen, um den größten Teil der Arbeit fertigzustellen. Bisher hat sich dafür das 6. Semester angeboten, mit der neuen ÄAppO haben wir noch zu wenig Erfahrung.
Außerdem planen wir zurzeit einen Science-Day zur besseren Information: Dabei sollten etwa die Sonderforschungsbereiche und Verbundprojekte sich und die Promotionsmöglichkeiten vorstellen. Gleichzeitig sollen Studierende hier Postervorstellungen u. a. üben können.“
puls.: „Was wünschen Sie sich von Doktoranden?“
T. K.: „Interesse, Flexibilität, Neugier und Eigenverantwortung.“
puls.: „Welche Motivation treibt Sie an, sich in der Lehre zu engagieren?“
T. K.: „Ich möchte das Wissen in Vorlesungen und Visiten weitergeben und prägend meine Vorstellung von Medizin und Arzt-Sein weitergeben!“
puls. dankt Herrn Prof. Dr. Klingebiel für das interessante Interview!
Zum Science-Day gibt es weitere Informationen, sowie die Planung dazu vorangeschritten ist.
Auch die wichtigen Informationen zum PJ veröffentlichen wir, sowie eine Entscheidung gefallen ist.