Mitten im Sommerloch ist mal wieder ein Beitrag über die anatomische Lehrsammlung des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität erschienen: „Anatomische Sammlung der Goethe-Uni – Kein Ort für Zartbesaitete“.
Einerseits freue ich mich, dass über diese kleine, feine anatomische Lehrsammlung berichtet wird. Andererseits hat mich die “Tonality” empfindlich gestört. Nach mehreren Gesprächen mit ebenfalls irritierten Kolleginnen und Kollegen habe ich mich entschlossen, dazu einen Kommentar schreiben.
Der flapsige Tonfall des Artikels suggeriert, dass das Thema an sich morbide ist und Anatomen dementsprechend auch irgendwie seltsam sein müssen.
Der zitierte Herr Dr. Wicht hat sicherlich einen skurrilen Humor. Aber ist in diesem Kontext nicht seine anatomische Kompetenz wichtiger? Schließlich unterrichtet der habilitierte Wissenschaftler die Medizinstudierenden in den Anatomie-Kursen. Nebenbei schreibt er noch den wortgewaltigen Science-Blog „Anatomisches Allerlei“, natürlich gibt es auch Beiträge über den Ausnahme-Anatomen Starck wie “Dietrich Starck und das Kopf-Problem”.
Nach einer „Horde Gorillas“ hält man in der anatomischen Lehrsammlung übrigens vergeblich Ausschau. Sollten damit vielleicht die Skelette der Gorilla-Männchen und –Kinder gemeint sein, die bescheiden in ihrer Vitrine stehen?
Genauso vergeblich ist der Blick nach den vorgeblichen Totenköpfen auf Herrn Wichts Händen: Unter dem reichhaltigen Silberschmuck ist kein einziger Totenkopf zu sehen.
Hätte man an dieser Stelle nicht, statt mal wieder eine anatomische Sammlung ins Monstrositäten- und Raritätenkabinett einzuordnen, die Bedeutung einer solchen Lehrsammlung als wesentliche Grundlage für die medizinische Ausbildung herausarbeiten können? Das Zitat von Herrn Prof. Korf, die Anatomie sei „Ein Weg, den menschlichen Körper aktiv zu begreifen“ hätte einen guten Ansatzpunkt dafür geboten.
Die Sammlung vergleichend-anatomischer Präparate ist mitnichten eine morbid-skurrile Spielwiese, sondern ein wichtiges Element der wissenschaftlichen und beruflichen Ausbildung von Medizinern, Biologen und anderen Berufsgruppen. Starck, der die Sammlung zusammengetragen hat und die Körperspender, die ihre Körper für Wissenschaft und Studium gegeben haben, verdienen Respekt und Anerkennung. Und auch einem toten Tier und dessen sterblichen Überresten in einer Sammlung sollte man respektvoll begegnen. Sie sind keine Karikaturen und dienen nicht unserer Belustigung.
Das ist nämlich ein weiterer didaktischer und moralischer Aspekt in einer anatomischen oder vergleichend-anatomischen Sammlung: Auch Knochen und andere Präparate müssen mit Respekt behandelt werden.
Ein bisschen mehr davon würde ich mir sogar im Sommerloch wünschen.
Bettina Wurche