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Klinischer Studienabschnitt: „Querschnittsbereich Notfallmedizin – interdisziplinär und interprofessionell“

„Notfallmedizin“ ist ein Querschnittsbereich des klinischen Studienabschnitts.
„Jedem Arzt – egal welcher Fachrichtung – können medizinische Notfälle begegnen. Diese müssen erkannt, adäquat behandelt und in die entsprechende Weiterbehandlung überstellt werden.“ ist im Studienplan über die Notfallmedizin zu lesen.
Herr Prof. Dr. Walcher ist der Unterrichtsbeauftragte für Chirurgie und hat das Curriculum für den Querschnittsbereich „Notfallmedizin“ maßgeblich entwickelt.

„PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche ist in die ausgedehnten Räume der Unfallchirurgie im Souterrain des Hauptgebäudes eingetaucht und hat tiefe Einblicke in die Lehre der Kunst der Unfallchirurgie bekommen. Ein kleiner Abstecher in den Schockraum der zentralen Notaufnahme zeigte die beeindruckende interdisziplinäre und interprofessionelle Arbeit des Schockraum-Teams.

Aus dem langen Gespräch sind mehrere Beiträge und Interviews entstanden, die jetzt als Dossier in „PULS.“ erscheinen.
Zusammenfassend ist zu sagen: Herr Prof. Dr. Walcher ist von Unfallchirurgie und Lehre ansteckend begeistert!

Interview mit Herrn Prof. Dr. Felix Walcher: Die Lehre Querschnittsbereich „Notfallmedizin“

„PULS.“: „Herr Prof. Dr. Walcher, welchen Stellenwert hat die Notfallmedizin im Medizinstudium und in der späteren Arbeit als Arzt bzw. Ärztin?“
F. W.:
„Ein Arzt sollte, unabhängig von seinem späteren Fachgebiet, bei einem Notfall jeglicher Art kompetent helfen können. Grundlegende praktische Kenntnisse in der Notfallmedizin gehören für mich zum Selbstverständnis des Arztberufes dazu.
Wir vermitteln sowohl theoretische Kenntnisse und Konzepte als auch manuelle Fertigkeiten. Zum Üben dieser manuellen Fertigkeiten gibt es FINeST, das eine hochkarätige Ausstattung hat (Frankfurter interdisziplinäre Einrichtung für Notfallmedizin und Simulationstraining des Fachbereichs Medizin – Die. Red.).“.

„PULS.“: Welchen Einfluss hatte die neue ÄApprO auf die Lehre in Ihrem Bereich?“
F. W.: „
Durch die Neuordnung der ÄAppO und die Einführung von Querschnittsbereichen ist nochmals hervorgehoben worden: die Notfallmedizin ist absolut interdisziplinär. Eine solche interdisziplinäre Verknüpfung in Lehrveranstaltungen muss eine grundlegende  Neuordnung der Curricula nach sich ziehen. Wir haben diese Anforderungen gleichzeitig als Chance genutzt, um neue praxisorientierte Ausbildungskonzepte in unserem Querschnittsbereich zu entwickeln und zu implementieren. Insgesamt besteht unser Querschnittsbereich aus Vorlesungen und Praktika. Die Vorlesungen sind „Erste Ärztliche Hilfe“ und „Notfallmedizin“. Dann kommen das Praktikum der Ersten Ärztlichen Hilfe und die weiterführenden Praktika BLS-Kurs, ACLS-Kurs und RTW-Praktikum.“

„PULS.“: „Viele Dozenten beklagen sich über zu wenig finanzielle und personelle Mittel, um gute Lehre machen zu können. Wie sehen Sie die Situation in der Notfallmedizin und Chirurgie, für die Sie zuständig sind? “
F. W.: „Der Fachbereich hat das FINeST und den Querschnittsbereich vor einigen Jahren mit ausreichenden finanziellen Mittel ausgestattet, so dass wir gutes Lehrmaterial im Bereich der Notfallmedizin zur Verfügung haben. Personell wird der Querschnittsbereich von den an der Notfallmedizin beteiligten Fächern bestritten. Zudem stellt der Fachbereich eine Stelle zur Verfügung, die glücklicherweise von einem sehr kompetenten Rettungsassistenten besetzt werden konnte. Dieser Kollege organisiert die Kurse und ist auch darüber hinaus für die Organisation des FINeST zuständig. Ich bin sehr glücklich, dass wir mit dem Kollegen einen inhaltlich wie organisatorisch extrem kompetenten Mitarbeiter haben, sonst wäre die Arbeit kaum zu leisten.
Mit den Mitteln, die wir in der Chirurgie haben, kann man gute Lehre machen. Wir investieren jedes Jahr die Gelder der LOM (Leistungsorientierte Mittelvergabe des Fachbereiches) zu 100% wieder in die Lehre.
Zudem haben wir  ausreichend Dozenten. Jeder habilitierte Wissenschaftler muss Lehrtätigkeit nachweisen können, um seine Venia Legendi entweder zu bekommen oder zu erhalten: Das ergibt 2 Stunden Lehre pro Woche und 28 Zeitstunden pro Semester. Wir haben einfach alle Chirurgen angeschrieben, die sich an der Goethe-Uni  habilitiert haben und nun außerhalb der Uniklinik arbeiten. Nicht alle von ihnen erfüllen zurzeit ihr Lehrdeputat. Damit können wir jetzt insgesamt 60 Chirurgen im Modul „Training praktischer Fertigkeiten“ einsetzen.“

„PULS.“: „Kommen wir zunächst zum Theoretischen Teil der Ausbildung, den Vorlesungen. Wie bereiten sie die Vorlesungen vor?“
F. W.: „Vorlesungen kosten Zeit. Eine gute Vorlesung ist aber sehr wichtig und darum bereite ich sie auch intensiv vor. Wenn die Vorlesung schon „steht“, benötige ich pro Stunde Vorlesung „nur“ 5 Stunden Vorbereitung. Die didaktisch saubere Neukonzeption einer Vorlesung braucht noch viel mehr Zeit. Das ist natürlich manchmal schwierig, so viel Zeit dafür aufzuwenden. Denn: Der Kliniker hat chronisch keine Zeit. Darum muss ich die Vorlesungen außerhalb der Klinikroutine, also abends oder am Wochenende vorbereiten. Als Unterrichtsbeauftragter für Chirurgie bin ich trotzdem immer ansprechbar für Studierende. Es wird allerdings erstaunlich wenig nachgefragt: Viele Studierende trauen sich offenbar nicht, Unterstützung eines Professors einzufordern. Die meisten Anfragen beziehen sich auf organisatorische Belange, die die Mitarbeiter des FINeST regeln können“

„PULS.“: „Wie sehen Ihre neu entwickelten praxisorientierten Ausbildungskonzepte des Querschnittbereichs aus?“
F. W.: „Diese Praktika sind im dritten Abschnitt des QB8 angesiedelt. Wer die Klausur erfolgreich bestanden hat, kann dann zum intensiven praktischen Training des erlernten theoretischen Fachwissens in Kleingruppen übergehen. Erst durch dieses intensive Praxistraining wird das strukturierte Vorgehen in Notfallsituationen praktisch vermittelt und auch trainiert.
Dabei gibt es den eintägigen BLS- (Basic Life Support)-Kurs, den dreitägigen ACLS- (Advanced Cardiovascular Life Support)-Kurs und das ein mindestens eintägige Praktikum auf einem RTW (Rettungstransportwagen).“ (Diese genannten Praktika werden in weiteren Beiträgen noch gesondert vorgestellt – die Red.).

„PULS.“: „Studierende bemängeln oft, dass in vielen Fächern die Klausuren und Praktika völlig abgekoppelt von den Fragen des 2. Staatsexamens sind. Viele wünschen sich einen Lernzielkatalog. Wie sieht die Korrelation von Inhalten, Prüfungen und dem 2. Staatsexamen in der Notfallmedizin aus?“
F. W.: „Ich kümmere mich darum, dass in unserem Querschnittsbereich die gelernten Inhalte in die Semesterabschnittsklausuren in einem sehr engen Zusammenhang stehen.
Aktuell wird ein bundesweiter Lernzielkatalog, der sogenannte nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM), entwickelt, an dem ich mitarbeite. Dort  stellen wir in einer Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Notfallmedizin die Inhalte, die wir für relevant halten, zusammen. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe besteht aus ca. 10 Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet. Inhalte unseres Curriculums sind maßgeblich eingearbeitet. Ob der NKLM Einfluss auf die IMPP-Fragen haben wird, bleibt zu hoffen.
Zu Ihrer Frage: Die Inhalte der Klausurfragen entsprechen unserem aktuellen Curriculum. Auf die Erstellung der Fragen zum M2 auf dem Gebiet der Notfallmedizin haben wir keinen Einfluss.
Und dann bin ich seit kurzem Mitglied der Expertengruppe, die die IMPP-Fragen für das Fach Orthopädie-Unfallchirurgie erarbeitet. Dadurch bekommen wir hoffentlich insgesamt eine größere Übereinstimmung der zu lernenden und zu prüfenden Inhalte. Zurzeit ist das noch nicht alles umgesetzt, weil diese Prozesse Zeit benötigen, aber es ist jetzt vieles auf den Weg gebracht worden, was sich in den nächsten Jahren mit dem NKLM hoffentlich auswirken wird.“

„PULS.“: Sie haben große Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre betrieben, angefangen von der Didaktik bis zur Schaffung von Lernzielkatalogen und neuartigen Praktika. Die einzelnen Schritte sind durchdacht und passend. Macht sich das in den M2-Ergebnissen bemerkbar?“
F. W.: „Das ist die Crux. Wir haben leider immer noch sehr schlechte M2-Ergebnisse. Unsere Frankfurter Studierenden sind gut ausgebildet, kognitiv fehlt aber offenbar etwas. Wir würden gern wissen, woran das liegt und es dann gezielt verbessern. Dazu benötigen wir dringend die detaillierte Item-Analyse der M2-Ergebnisse aus Frankfurt. Leider haben wir die noch nicht bekommen. Wir hoffen, dass man uns diese Item-Analyse bald zur Verfügung stellt, so dass wir sehen können, bei welchen Prüfungsfragen Probleme auftauchen. Dann könnten wir diese Probleme gezielt angehen. Und letztendlich zu besseren Ergebnissen im M2-Examen kommen.“

„PULS.“: Welche besonders wichtigen Tipp geben Sie künftigen Notfallmedizinern mit auf den Weg?“
F. W.: „Gerade die Notfallmedizin ist interdisziplinär und interprofessionell. Eine solche Aufgabe kann man nur im Team bewältigen. Und darum möchte ich unseren Studierenden möglichst früh ein Verhaltenstraining mit auf den Weg geben, das sie zur konstruktiven und respektvollen Zusammenarbeit mit allen Teammitgliedern befähigt. Für mich ist das die interdisziplinäre und interprofessionelle Aufgabe in der Medizin. Und dazu trägt zum Beispiel ein Praktikum auf einem Rettungswagen ganz bestimmt bei.“

„PULS.“ dankt Herrn Prof. Dr. Felix Walcher für das spannende Interview.
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.

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