
Low-temperature electron micrograph of a cluster of E. coli bacteria, magnified 10,000 times. Each individual bacterium is oblong shaped.
Der Darm ist der Lebensraum einer großen Zahl von Mikroorganismen – jeder Mensch trägt einen ganzen Zoo in seinem Körper!
In den letzten Jahren hat sich der Darm von einem vernachlässigten Körperteil zu einem Super-Star gemausert.
Bisher wurde das lange, gewundene Organsystem eher aus der Sicht der Infektiologie betrachtet: Als Kampfplatz. Jetzt kommt eine neue Blickrichtung aus Sicht der Ökologie dazu: Der Darm und seine Bewohner werden zu wichtigen Verbündeten im Kampf gegen Autoimmunerkrankungen und andere Krankheiten.
Die Darm-Kopf-Achse und der Charme des Darms
Die Darm-Expertin Guilia Enders hatte die Bedeutung des Darms für unser Wohlbefinden in ihrem preisgekrönten Science-Slam-Beitrag „Darm mit Charme eindrucksvoll illustriert dargestellt.
Im puls.-Interview erzählt sie begeistert: „Ich finde den Darm aber sehr cool: Er ist ein selbständiges Organ mit eigenem „Kopf“. […]
Der Darm ist ja vielmehr als einfach nur ein Rohr, durch das die Nahrung geschoben wird. Er hat auch direkten Einfluss auf Psyche und Immunsystem. Die Querverbindungen zwischen Darmbakterien und Depressionen oder Angst sind noch ganz frische Themen, die Forschung ist spärlich, aber hochinteressant.“ Lesen Sie hier das ganze Interview: “Interview Giulia Enders: „Darm mit Charme““
Hier geht es zum Science-Slam-Beitrag „Darm mit Charme“
Übrigens: Guilia sucht dringend GesprächspartnerInnen zur Diskussion von Darm-Themen!
Darm, Psyche und Immunsystem
Neugeborene nehmen die ersten Darmbakterien bei der Geburt noch im Geburtskanal der Mutter auf. Darauf baut dann der spätere Bakterienzoo auf.
Die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm steuert auch die Aufnahme und Verwertung von Nährstoffen. Forscher unterscheiden dabei zwischen drei verschiedenen Besiedlungsmustern im menschlichen Verdauungstrakt: Bacteroides, Prevotella oder Ruminococcus (3sat: „Bakterienwelten: Drei Grundtypen von Darmflora medizinisch wichtig“).
Wegen seiner vielen Nervenfasern wird der Darm auch „Bauchhirn „bezeichnet“:
„Die Nervenzellen der Darmwand münden in den Vagusnerv und damit in das limbische System. “Das limbische System ist bei der Verarbeitung von Darminformationen immer involviert”, sagt der Tübinger Psychologe Prof. Paul Enck. Darum sorgen Schmerzsignale aus Magen und Darm auch für schlechte Stimmung, berichtet Holzer. […]
Das Darmsystem selbst ist unabhängig, sucht aber Kontakt zum Gehirn und versucht, Nervenverbindungen aufzubauen. Diese bestehen zu neunzig Prozent aus aufsteigenden – afferenten – Nervenfasern, die Informationen vom Darm zum Gehirn liefern. Zehn Prozent der Fasern liefern Informationen vom Gehirn zurück zum Darm.“ (3sat: „Das Hirn im Bauch: Nervenzellen im Magen-Darm-Trakt denken mit“)
Probiotische Diät und Stuhltransplantation statt Pillen?
Manche Forscher wie Dr. Elizabeth Costello (Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie der Stanford University) entwickeln nun erste Pläne zum Ökosystem-Management des Darms:
Statt Medikamenten können bei spezifischen Krankheitsbildern Diäten mit probiotischen Lebensmitteln oder die fäkale Mikrobiotatransplantation („Stuhltransplantation“) wirksam sein.
Bei einer probiotischen Diät werden „guten“ Darmbakterien in ihrer Vermehrung unterstützt, durch die „Stuhltransplantation“ werden „gesunde“ Bakterien in den Darm gebracht. In beiden Fällen hilft die gesunde Darmfauna bei der Bekämpfung pathogener Mikroorganismen.
Diese Therapien haben weniger Nebenwirkungen als Medikamente und haben bereits erste, viel versprechende Erfolge erbracht.
Der Darm ist ein brandaktuelles, sehr spannendes Forschungsthema, von dem wir in den nächsten Jahren noch sehr viel hören werden.