Auf dem Mediziner-Campus laufen viele Personen in weißen Kitteln herum.
Logisch: Ärzte und Medizinstudierende aus Laboren und Krankenhaus-Abteilungen gehen in ihrer Arbeitskleidung auch zum Essen. In die Kantine (=“Mensa“), ins Café oder gleich ins Restaurant außerhalb des Campus.
Vom Krankenbett in die Kantine oder ins Restaurant und wieder zurück – alles im gleichen Kittel.
Ein hygienischer Faux-pas. Es wäre nicht einmal akzeptabel, falls Sie den Kittel jeden Tag wechseln würden.
Im Labor kommen die Kittel in Kontakt mit chemischen Substanzen, die am Esstisch nichts zu suchen haben. Im Krankenhausalltag kommen Sie auch beim normalen Stationsdienst mit Keimen, Körperflüssigkeiten und anderem in Kontakt, die am Essensplatz noch unwillkommener sind.
Es kann durchaus sein, dass es ihnen persönlich nichts ausmacht.
Anderen Personen kann es allerdings sehr wohl etwas ausmachen.
„Der typische Zahnmedizinstudent…
…hat IMMER einen Kittel in der Mensa an. DIESE KITTEL IN DER MENSA! HIMMEL! Wieso müssen Zahnmedizinstudenten immer diese Kittel in der Mensa tragen?!? Kittel in der Mensa sind wie Hämorrhoiden im Swimming Pool. Das will einfach keiner sehen. Vor allem nicht wenn die letzte Behandlung grade hinter einem liegt und der Kittel noch nach angsteinflößenden Zahnarztpraxis-Schmerz riecht. UND DAS BEIM ESSEN!!! Jungs und Mädels, das ist eklig!“
Die Aussage, dass Kittel in der Mensa eklig sind, trifft natürlich genauso auf Studierende der Humanmedizin zu oder andere Personenkreise.
Das Tragen des Arztkittels in der Kantine ist auch Gegenstand des Beitrags „Antibiotika schon bei einem Schnupfen“ der Süddeutschen.de.
Im Absatz „Kittel als Keimschleuder“ kommen verschiedene Hygiene-Experten zu Wort. Ihr Resumé: Kittel werden nicht oft genug gewechselt und sind somit regelrechte Keimschleudern. Wenn sie dann auch noch in der Kantine getragen werden, wird es richtig unhygienisch, es kann schnell zu einem unheilvollen Keimaustausch kommen. In England etwa seien Kittel vielerorts schon aus den Kliniken verbannt.
Kittelträger geben bei Kritik an ihrem Outfit gern Antworten wie „Mein Kittel ist sauber“, „Wo solle ich ihn denn sonst lassen?“, „Wo soll ich denn mein Handy, Stethoskop, etc. lassen?“, „Mein Chef trägt seinen Kittel auch in der Kantine“ vor. Das sind Scheinargumente, die die gleiche Qualität wie „Mein Hund beißt nicht“ eines Hundebesitzers mit einem schlecht gelaunten Rottweiler haben.
Für diese Fragen lassen sich immer Lösungen finden.
In vielen Krankenhaus-Kantinen und Restaurants ist der Zugang im Kittel untersagt und diese Kleiderordnung wird auch durchgesetzt. Dort klappt es also.
Eine ausgedehnte Diskussion dazu finden Sie bei medi.learn.
Neben der hygienischen Bedenklichkeit kommt noch eine psychologische Komponente hinzu:
In Kantine, Mensa, Café oder dem nahe gelegenen Restaurant sitzen neben dem medizinischen personal auch andere Personenkreise, in einigen Etablissements sitzen sogar manchmal Patienten und Angehörige.
Die möchten diese Arbeitskleidung in ihrer kleinen Erholungspause schon gar nicht sehen.
Also bitte denken Sie daran: Ihr weißer Kittel gehört nicht in die Kantine der Uniklinik.
Und schon gar nicht ins Café oder Restaurant nebenan.
Ihre Mitmenschen werden es Ihnen danken.
Bettina Wurche