Während ich selbst ja schon gewissermaßen “Dinosaurierstatus” habe und die Zeiten von ISDN-Modems schon zu meinem “moderneren” Lebensabschnitt zähle, ist der durchschnittliche Student heute mit Computer, modernen Medien und vor allem dem Internet aufgewachsen.
So sehr ich diesen üblichen unkritischen und unbedarften Umgang mit Technik bewundere, so erschreckt mich doch oft auch die Sorglosigkeit mit den modernen Kommunikationsmedien. Ich meine gar nicht mal unbedingt die Blauäugigkeit, mit der man Privatheiten auf Facebook etc. ballert (das halte ich für eine Übergangserscheinung), sondern auch die Laxheit im Kommunikationsverhalten an sich – angefangen bei Form und Stil und hin bis zu Mängeln in Rechtschreibung und Verbindlichkeit. (Vom abnehmenden technischen Sachverstand der “User” mal abgesehen – aber es ist auch gut, dass die Zeiten vorbei sind, in denen mal als PC-Benutzer die Bytes seines Arbeitsspeicher mit Vornamen kennen musste.)
Aber dazu ein paar Gedanken mit Praxiserfahrungen – ohne den moralischen Zeigefinger zu sehr auspacken zu wollen:
Trotzdem der Abgesang auf das Medium E-Mail längst begonnen hat gilt zumindest im Jahr 2012: Das individuelle Kommunikationsmedium im akademischen Bereich ist nach wie vor die E-Mail.
Auch wenn Instant Messaging via ICQ, Skype etc. immer stärker genutzt wird (ich selbst wickele gute 60% meiner Kommunikation darüber ab), so bleibt die E-Mail dennoch wichtig, da sie trotz Portofreiheit und latenten Sicherheitsmängeln immer noch ein gewisses Maß an Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit birgt und repräsentiert.
Wer am E-Mail-Verkehr nicht teilhat, der wird nicht wahrgenommen und nimmt nur wenig wahr. Alle, vor allem alle jüngeren, die sich nur auf FB und IMs verlassen, sind gut beraten, ihren Gewohnheitsrhythmus von “gelegentlichem” Mailabruf zumindest auf “täglichen” Abruf umstellen.
E-Mails sind schnell geschrieben, kostenlos und bequem. Man muss keinen Briefumschlag anlecken, macht keine Füllerkleckse und verschwendet keinen Toner. Dennoch ist die “Elektronische Post” das, was einem geschriebenen Brief am nächsten kommt. Das schließt – für den offiziellen Gebrauch – allerdings auch alle stilistischen Anforderungen ein, die man sonst an geschriebene Korrespondenz stellt!
Auch im Jahr 2011 beginnt man offizielle Mails noch immer mit einer Grußformel, die dem Adressaten angemessen ist: Üblicherweise ist das ein “sehr geehrter Herr…” oder eine ebenso “sehr geehrte Frau…”. Das gilt für Professoren wie für Verwaltungsangestellte und sonstige Mitarbeiter sofern man sie nicht kennt! Mit zunehmender Vertrautheit kann man sich, persönliche Bekanntschaft vorausgesetzt, auch mal ein “Liebe Frau/Lieber Herr” erlauben. Alles andere ist in erster Instanz ein Fauxpas (sorry – ein „No-Go“) und stößt i.d.R. auch dem lässigsten und jovialsten Dozenten auf, sofern er nicht ausdrücklich einen anderen Ton anschlägt.
Es geht hier gar nicht ums Ego: Platt gesagt kann man ein universitäres Studium auch als Berufsausbildung auffassen und damit als Vorbereitung aufs Arbeitsleben. Andererseits kann und sollte es nicht Aufgabe der Uni sein, ihren Absolventen “Manieren” beizubringen, denn das sollte im Idealfall eigentlich bereits geschehen sein. Und man mag sich leicht vorstellen, welchen Eindruck es am Ende auf den Arbeitgeber macht, wenn ihm der Absolvent der Uni mit “Hi, Herr Geschäftsführer!” kommt. Das wirkt furchtbar unreif und hinterlässt kein sonderlich angemessenes Bild – schon gar nicht für Abiturienten. Und nicht zuletzt darum sollte auch dies nicht der allgemeine Ton sein.
Eine saubere Rechtschreibung (inklusive Interpunktion, Groß-/Kleinschreibung etc. !) sollte im Übrigen ebenso selbstverständlich sein, wie eine überlegte Ausdrucksweise. Auch wenn heute SMS und IM ohne punkt und komma jegliche großschreibung und das wäre hervorzuheben offenbar nur mit einer reihe von abk auskommen die im offiziellen aba iwie ziemlich uncool kommen sry!!1!!11!
Ich rate da übrigens auch zum Verzicht auf Smileys und zu einem sparsamen Gebrauch von Ironie; nicht jeder hat Zeit und Lust, dies zu verstehen oder darauf einzugehen.
Man muss sich dennoch nicht in allzu gewählte Sprache versteigen, denn diese wirkt dann – vor allem bei Ungeübten – oftmals eher komisch. Zuhören bzw. aufmerksames Lesen erleichtert es, sich dem Stil des Gegenübers anzupassen.
Ach ja – übrigens ist es auch üblich, sich zurückzumelden, wenn man von einem Dozenten angeschrieben wurde – oder überhaupt auf Mails (von wem auch immer) zu reagieren!
Bevor ich mich aber noch weiterer Schwafelei befleißige, richte ich die Aufmerksamkeit der geneigten Leser noch auf zwei Internetressourcen, die sich dem Thema widmen. Klassisch ist bereits der Artikel von Thomas Hoeren (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,424426,00.html).
Wer mit dem Medium „Mail“ bereits vertraut ist und auch seine Schattenseiten kennt, der kann sich mit der kritischen und zynischen Sichtweise von Sascha Lobo (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,817979,00.html) befassen, die dann aber doch einiges an Wahrheit bereithält.
In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Bertram Bühner
lol