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Campus-Leben: Interview mit den Erfindern des KOMMs, Dr. Ingrid Moeslein-Teising und Hermann Roth

KOMM mit blauem Transparent

KOMM mit blauem Transparent

Freitagabend.
Der Medizin-Campus liegt (fast) verlassen in der Dunkelheit.
Im KOMM brennt noch Licht.

„PULS.“ hat zwei KOMM-Veteranen getroffen und spannende Informationen aus der KOMM-Gründungszeit bekommen: Frau Dr. Ingrid Moeslein-Teising und Herr Hermann Roth sind extra angereist, um sich selbst ein Bild des KOMM im Jahre 2011 und dem Kampf ums KOMM zu machen.
Schnell tauchen sie ein in die Zeit um 1974 bis 1976, als es auf dem Mediziner-Campus brodelte und erzählen viele Erinnerungen.
Mit Gekicher und Augenrollen.
Das abgeschabte Ledersofa wird zur Zeitmaschine…

Interview mit  Frau Dr. Ingrid Moeslein-Teising und Herrn Hermann Roth

„PULS.“: „Frau Dr. Moeslein-Teising, Herr Roth, Sie sind Gründungsmitglieder der Initiativgruppe KOMM. Was war die IG KOMM?“
I. M.-T., H. R: „Ab 1974 hatten wir die Idee für ein Kommunikationszentrum auf unserem Campus, und haben die KOMM-Initiative gegründet. Als die Mediziner-Mensa in Haus 28 geschlossen werden sollte, wollten wir das Gebäude für uns haben, als KOMMunikationszentrum. Gleichzeitig waren wir damals über die Verschlechterung der Studienbedingungen sehr aufgebracht und wollten das nicht einfach so hinnehmen.”

„PULS.“: „Was hatte sich an den Studienbedingungen konkret verschlechtert?“
I. M.-T., H. R.: „Da war zunächst die Einführung des PJ. Auf einmal sollten wir, statt schlecht bezahlt als Medizin-Assessor praktische Erfahrungen zu sammeln, das vollständig unbezahlte PJ absolvieren. Dagegen haben wir natürlich protestiert, das bedeutete ja eine erhebliche Verschlechterung. Außerdem sollten zwei zusätzliche Klausuren eingeführt werden in Mikrobiologie und Pharmakologie. Insgesamt lief alles auf eine viel stärkere Verschulung des Medizinstudiums hinaus. Und dann hatten wir natürlich überfüllte Hörsäle und insgesamt eine schlechte Ausstattung. Auch damals gab es schon eine Diskrepanz zwischen der Uni-Klinik und dem Fachbereich.“

„PULS.“: „Hat die IG KOMM mit der Fachschaft und dem ASTA zusammengearbeitet?“
H. R.: „Einige Leute aus der KOMM-Gruppe waren gleichzeitig Mitglieder der Fachschaft und die Fachschaft hat sich natürlich auch im KOMM getroffen. Von daher bestand da schon eine enge Zusammenarbeit.“
I. M.-T., H. R.: „Der Kontakt zum ASTA bestand, aber mit der Haupt-Uni hatten wir eher weniger zu tun. Die Uni-Klinik und unser Campus waren eine eigene Welt und wie eine Insel vom Rest der Uni und dem Rest der Welt getrennt.

„PULS.“: „Was war Ihre verwegenste Aktion? Kam es zu irgendeinem Zeitpunkt zu Hausbesetzungen und Polizeieinsatz?“
I. M.-T., H. R: „Nein . Wir haben mal kurzfristig das Dekanat besetzt. Der (eigentlich moderate) Dekan war gerade nicht da, darum haben wir ihm einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt: „Besetzt“ stand darauf.“

KOMM

KOMM-Eingang

„PULS.“: „Was war Ihre Idee für das KOMM?“
I. M.-T., H. R: „Das KOMM sollte für alle da sein! Wir haben auf dem Campus über 700 Unterschriften gesammelt.
Das hatte ganz schön Konfliktpotential: Die Krankenschwestern waren total sauer auf uns, weil nach dem Schließen der Mensa nun alle zum Essen ins Kasino gegangen sind. Sie hatten gar nicht mitbekommen, dass der Mensa-Betrieb sowieso aufhören sollte und nicht die Studierenden daran schuld waren. Die Kommunikation war sehr schlecht.
Die Ordinarien fanden unsere Idee gut und waren dafür.
Die anderen Studierenden waren natürlich auch dafür, aber wenige wurden dann auch aktiv.
Im KOMM fand ganz schön viel statt: Natürlich ganz viele Sitzungen und Partys, politische Veranstaltungen, Theater und Kabarett.
Wir hatten auch immer einen Kaffeeausschank zum Fast-Selbstkostenpreis. Der selbst organisierte Café-Betrieb wurde vor allem von „Wuschel“ und Alex gemacht. Das Café war montags bis freitags täglich geöffnet und immer gut besucht: es war ein beliebter Treffpunkt und es gab billigen Kaffee. Das KOMM war ein Kristallisationspunkt für neue Ideen, hier trafen sich viele Lern- und Arbeitsgruppen. Politische Arbeit war für viele Mediziner damals sehr wichtig, man hat sich als Arzt mit gesellschaftlicher Verpflichtung gesehen. Darum gab es viele politische Veranstaltungen. Außerdem haben wir hier selbst Lerngruppen organisiert zu Themen, die im Studium nicht abgedeckt wurden und die wir für wichtig hielten. Zum Beispiel zur Psychosomatik. Unter anderem haben wir eine Balint-Gruppe gegründet.
Und dann gab es natürlich noch die legendären KOMM-Feten!
Es wurden immer die Stones gespielt! Und die gegenüber liegende Kinderklinik hat sich dann über die laute Musik beschwert.“

KOMM-Leder-Couch

Die Ledercoach wird zur Zeitmachine

„PULS.“: „Wie sah es damals im KOMM aus?“
I. M.-T.: „Die Einrichtung war ganz ähnlich wie heute: abgeschabte Sofas, die Theke…”
H. R.: „Das ist ja immer noch die gleiche Theke, die stand 1975 bloß woanders.“
I. M.-T., H. R: „Das Schwarze Brett hing bei uns an der gleichen Stelle wie heute, bei uns stand noch ein Tisch darunter.“

„PULS.“: „Wie  haben Sie sich damals für die Aktionen verabredet? Schließlich gab es weder Handy noch e-mail.“
I. M.-T.: „Wir haben uns auf dem Campus getroffen und dann verabredet. Das lief vor allem über Mundpropaganda. Das „Hier-sein“ hatte einen anderen Stellenwert, das KOMM war eine Informationszentrale. Man hatte zu Hause keinen Rechner, man musste, um etwas mitzubekommen, hier anwesend sein. Und Aktionen sind oft auch über Plakate angekündigt worden. Das lief damals noch im Matritzendruck. Einer von uns hatte Zugang zu einer Druckmaschine, das war wichtig für uns.“

„PULS.“:„Welchen Stellenwert hatte das KOMM für Sie? Nach Ihren Erzählungen muss es ein bedeutungsvoller und lebendiger Ort gewesen sein?“

I. M.: „Das KOMM hatte einen hohen emotionalen Stellenwert: Hier traf man immer  Leute.“
H. R.: „Das KOMM bedeutete für uns „Heimatgefühl“, „Leute, die ich kenne“. Das war für uns alle wichtig. Wir haben hier ganz groß meinen 21. Geburtstag gefeiert!“
I. M.: „Und da haben wir natürlich wieder ganz laut die Stones gehört. Außerdem habe ich hier, in der IG KOMM im KOMM, meinen späteren Mann kennengelernt.“

„PULS.“: „Das KOMM ist die Geburtsstätte der Medizinerzeitschrift „Dr. med. Mabuse“. Wie ist es zu dieser Zeitungsgrünung gekommen?“
I. M.-T.: „1996 haben wir mit „Dr. med. Mabuse“ angefangen. Wir haben ein Mittel zum Protest gesucht, weil wir nicht einfach wieder streiken wollten. Und „Dr. med. Mabuse“ haben wir dann regelmäßig herausgebracht.“
H.-R.: „Dr. med. Mabuse“ ist im KOMM entstanden, der Herausgeber war die Fachschaftsvertretung Medizin. Fachschaft und KOMM-IG haben natürlich sehr eng zusammengearbeitet. Ingrid, Martin (Herr Dr. Teising – die Red.) und ich waren beim Mabuse stark engagiert. Wichtige Mabusianer der ersten (rein Frankfurter) Zeit waren Hermann Löffler, Matthias Elzer, Alex Horn, Volker Belwe, Ernst-Ludwig Iskenius, Gisela Kissel, Günter Dewald und noch viele andere. Im Impressum der ersten 6 Hefte stehen alle ´drin. Mabuse ist dann schnell überregional geworden: zunächst wurde in Frankfurt und Freiburg daran gearbeitet, später kamen dann noch andere Uni-Standorte dazu. „Dr. med. Mabuse“ gibt es bis heute als kritische Zeitschrift für alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens.“

(Anmerkung der Redaktion: Hermann Löffler ist bis heute „Dr. med. Mabuse“-Redakteur und hat auch den „PULS.“-Beitrag in der März/April-Ausgabe betreut.)

„PULS.“ dankt Frau Dr. Ingrid Moeslein-Teising und Herrn Hermann Roth herzlich für das spannende Gespräch.
Das Interview führte „PULS.“-Redakteurin Bettina Wurche.

Lesen Sie mehr zum „Kampf ums KOMM“ in „PULS.“:
Campus-Leben: My KOMM is my castle

Campus-Leben: KOMM bleibt

Campus-Leben: KOMM wie “Komm”unikation

und zu Dr. Mabuse

Vorgestellt: “Dr. med. Mabuse”

bw